Ast, Ann Kathrin

Beat

Oder: In diesem trockenen, süß­lich riechenden Nebel. Roman

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Oktaven/Verlag Freies ­Geistesleben, Stuttgart 2023
erschienen in: üben & musizieren 5/2023 , Seite 61

Beat ist ein begabter Schlagzeugstudent an der Musikhochschule Mannheim und steht kurz vor seiner Abschlussprüfung. Doch immer mehr (ver-)zweifelt er an seinem Studium, an seinen Berufsplänen – ja, die Musik selbst wird ihm fremd und bedeutungslos. Hinzu kommen immer stärkere Farb- und Klang­visionen, die allmählich zu einem Hinübergleiten in eine parallele Realität führen.
Ann Kathrin Ast, die selbst an der Musikhochschule Mannheim Cello studiert hat, wählt für ihren Roman ernste Themen: zunehmende Entfremdung vom gewählten Studienfach; Zweifel, ob der eingeschlagene Weg zu einem Leben als Berufsmusiker der richtige ist – solche hemmenden Gedanken, die zum Studienabbruch oder sogar in die Depression führen können, werden vielen Studierenden an Musikhochschulen vertraut sein.
Leider gelingt es der Autorin nicht, einen stringenten Handlungsstrang zu entwickeln. Aus dem „trockenen, süßlich riechenden Nebel“, in den sich ihr Protagonist Beat verirrt, findet auch der Leser, die Leserin kaum noch heraus. Zu viele Motive werden nur angerissen und nicht konsequent durchgeführt: das Prob­lem des abwesenden Vaters, die emotionale Abhängigkeit von der Mutter, der jeder zeitgemäßen Pädagogik spottende Unterricht des Hochschulprofessors, die zart aufkeimende Liebe zu einer Mitstudentin… Die Entscheidung, ihren Protagonisten in eine andere Welt abgleiten zu lassen, entbindet die Autorin vermeintlich von der Verantwortung, den Lese- und Verstehensprozess nachvollziehbar zu gestalten.
Die zunehmende Ununterscheidbarkeit von Realität und Wahn birgt die Gefahr in sich, beim Lesen nicht für Spannung, sondern eher für Unmut, gar Langeweile zu sorgen. Die psychologische Pointe, den an sich selbst verzweifelnden Künstler in ein „magisches Theater“ zu schicken, in dem er mit seinen Träumen und verdrängten Sehnsüchten konfrontiert wird; dieser literarische Trick, den ein Literaturnobelpreisträger wie Hermann Hesse im Steppenwolf mit höchster Kunstfertigkeit vorführte, gelingt nicht jedem.
Hinzu kommen sprachliche Nachlässigkeiten. Schon die Wahl des Titels bzw. Eigennamens „Beat“ für einen Schlagzeugstudenten wirkt in der sofort erkennbaren Doppeldeutigkeit eher gesucht als raffiniert. Diese Doppeldeutigkeit dann im Buch auch noch ausdrücklich zu erklären, heißt, die Intelligenz des Lesers, der Leserin zu unterschätzen. Auch das literarische Stilmittel, zwischen Außensicht (3. Person) und Innensicht (1. Person) zu wechseln, überzeugt nicht.
Der Versuch zu beschreiben, was es bedeutet, Musik zum Beruf zu machen, ist der Autorin hoch anzurechnen. Und wer in der Lage ist, den Roman unter der Prämisse zu lesen, dass er nur ein Abbild der inneren Zerrissenheit des Protagonisten Beat sei, wird diesem Buch vielleicht doch einiges abgewinnen können.
Rüdiger Behschnitt