Mikrokosmos

Der Anlass für Transkriptionen ist üblicherweise in der Popularität der ausgewählten Werke zu verorten, die man hofft sich auf dem eigenen Instrument zu eigen machen zu können. Das gelingt bei Transkriptionen für die Gitarre oftmals so erstaunlich gut, dass diese Bearbeitungen in Ausnahmefällen bekannter als das Original werden.
Bei der vorliegenden Ausgabe hat der österreichische Gitarrist, Komponist und Pädagoge Siegfried Steinkogler andere Kriterien gelten lassen. Bartóks pädagogisches Meisterwerk seiner umfangreichen Klaviermethode Mikrokosmos vermag es, auch bei leichtester Spielbarkeit für die Gitarre(n) spieltechnische und musikalische Entwicklungsanreize zu bieten. Auf zwei Gitarren verteilt sind die Klangräume von Diskant und Bass getrennt zu erfahren und spielerisch, klanglich zu erkunden. Das leichte Spiel in verschiedenen Lagen kann sich ebenfalls spieltechnisch leicht vermitteln lassen. Steinkoglers Perspektive als Komponist ermöglicht zusätzlich, formalen Aspekten der Stücke wie Imita­tion und Kanon, Parallel- und Gegenbewegung oder polyfonen und Cantus-firmus-Techniken die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Die Auswahl und Anordnung der Stücke ist mit großer Sorgfalt erfolgt. Dabei sind verschiedene Perspektiven angewandt worden, um eine Ausgabe zu erstellen, die für den instrumentalen Unterricht von großem Nutzen sein kann. Aus seiner Lehrerfahrung hat der Bearbeiter vielen Stücken ergänzende Hinweise vorangestellt, welche die jeweils wichtigen Aspekte in den Blick nehmen.
Die Ausgabe ist sehr lesefreundlich und großzügig im Druckbild gehalten. Weitere Bände sind geplant. Es liegen bereits andere Bearbeitungen von Bartók von Steinkogler vor, was eine große Sachkenntnis und Vertrautheit mit diesem Komponisten und seiner Musik erklärt.
Für den Unterricht ist dieser Band sehr zu empfehlen. Bartóks Mikrokosmos hat übrigens 1978 Pate gestanden, als Reginald Smith-Brindle seine auf drei Bände ausgelegte Sammlung Guitarcosmos komponiert hat.
Andreas Stevens-Geenen