Waloschek, Maria Anna

All by myself!?

Teamteaching im Kontext Musikschule

Rubrik: Musikschule
erschienen in: üben & musizieren 6/2023 , Seite 44

In Anbetracht wachsender Koopera­tionstätigkeiten von Musikschulen und der Erschließung vielfältiger Zielgruppen erscheint es nicht nur sinnvoll, sondern gar notwendig, vorhandenes Wissen in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen an Musikschulen zu bündeln. Darüber hinaus kann ein Ausbrechen aus dem „Einzelkämpferdasein“ für Lehrende vielfältige Perspektiven und Lernchancen bieten. Wie aber kann eine verstärkte Zusammenarbeit angestoßen und gewinnbringend gestaltet werden?

Von Lehrkräften an Musikschulen wird erwartet, dass sie „in mehreren musikalischen Bereichen, in Klassik, Pop, Jazz, Folk, Neue Musik und Improvisation etc. Impulse geben [können]. Sie sollen aber auch […] Bildungsverläufe langfristig begleiten und gestalten, somit auch Fortgeschrittene bis hin zur Studierfähigkeit unterrichten können. Sie brauchen Kompetenzen im Einzel-, Kleingruppen- und Großgruppenunterricht, in der Spitzen- und in der Breitenförderung, im Streicher- oder Bläserklassenunterricht, sie brauchen Fähigkeiten in Ensembleleitung, in der Frühförderung und beim Musikunterricht mit Erwachsenen und Menschen im höheren Lebensalter.“1
Bei dieser bereits vor über zehn Jahren von führenden VdM-Vertretern formulierten, üppigen Auflistung an Kompetenzen und Tätigkeitsfeldern von Lehrkräften an Musikschulen stellt sich zu Recht die Frage, inwiefern eine einzelne Person dem allen gewissenhaft gerecht werden kann.2 Gleichwohl bestimmt das Ringen mit der Rolle als „eierlegende Wollmilchsau“ den Berufsalltag vieler Lehrender.3
Nun sind Musikschulen Orte, die durch ihre vielfältigen und mit Bedacht ausgewählten Kollegien und ihre diverse Schülerzusammensetzung über breite Expertise verfügen. Es lehren und lernen dort Menschen unter einem Dach, deren individuelle Stärken in den unterschiedlichsten Bereichen liegen und für die es vermutlich ein Leichtes wäre, die eingangs aufgeführten Anforderungen gemeinsam zu meistern. Doch wie können Gegebenheiten und Gelegenheiten für gemeinsames Handeln im Rahmen von durchgetakteten Stundenplänen und einem Unterricht, der meist hinter verschlossenen Türen stattfindet, geschaffen werden?

Teamteaching – wozu?

Eine Antwort liegt nahezu auf der Hand: Man könnte vorhandene Ressourcen bündeln und ExpertInnen „einfach“ zusammenführen. Ein Ansatz, der diese Idee aufgreift, ist Teamteaching. Lehrende, die in dieser Form zusammenarbeiten, berichten von einer Erweiterung der eigenen technischen, interpretatorischen und methodischen Kenntnisse, insbesondere in herausfordernden Situationen.4 Sie schätzen die durch Teamteaching hinzugewonnene Abwechslung in ihrem Arbeitsalltag, z. B. durch das Kennenlernen neuer Unterrichtsliteratur. Gemeinsam zu unterrichten, ermögliche ihnen eine Außenperspektive sowohl auf SchülerInnen als auch auf ihr eigenes Lehrverhalten, welches sie dadurch einordnen können. Durch die kontinuierliche Unterstützung fühlen sie sich in ihrem eigenen Lehrauftritt gestärkt. Sie erleben Rückhalt und ein starkes kollegiales Mit­einander, was sich nicht nur auf SchülerInnen übertrage, sondern zu einem „Kulturwandel“ innerhalb der Institution insgesamt beitrage.
SchülerInnen, die in Teamteaching-Settings gelernt haben, führen als Mehrwert mehrere Wissensquellen und zusätzliche Unterstützung auf. Auch fördere die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen ihre Entscheidungsfreiheit und ihre Selbstständigkeit. Sie berichten, dass ihr Unterricht durch das Lernen in verschiedenen Lernumgebungen und mit Personen, die in unterschiedlichen Rollen agieren, an Abwechslung gewinne.
Derartige Äußerungen klingen vielversprechend. Es dürfte jedoch kein Geheimnis sein, dass das Zusammenführen von Ressourcen gar nicht so einfach ist, wie zu Beginn dieses Abschnitts vorgeschlagen. Bevor jedoch notwendige Voraussetzungen für gelingendes Teamteaching und Ansätze und Beispiele aus der Praxis thematisiert werden, ist es zunächst erforderlich, den Begriff Teamteaching kurz zu definieren.

Teamteaching – was bedeutet das genau?

Teamteaching beschreibt eine
– auf Zusammenarbeit fußende Lehr-, Lern- und Arbeitsform
– von mindestens zwei Lehrpersonen
– in mindestens zwei Phasen einer Lehrveranstaltung.5
Widmen wir uns diesen drei Elementen etwas genauer und werfen wir zunächst einen Blick auf den Begriff der Zusammenarbeit. Teamteaching geht über den reinen Austausch von Informationen hinaus und bedeutet nicht, sich Unterrichtsinhalte oder auch die Organisation von musikpädagogischen Veranstaltungen effizient aufzuteilen. Vielmehr beschreibt Teamteaching eine intensive Auseinandersetzung mit den Lehrkonzepten anderer und ein gemeinsames Entwerfen und Ausarbeiten von Unterrichtsideen. In diesem Prozess wird individuelles Wissen nicht nur ausgetauscht, sondern aufeinander bezogen und weiterentwickelt (ko-konstruiert).6

1 Rademacher, Ulrich/Pannes, Matthias: „Klingende Lebensräume. Öffentliche Musikschulen als Schlüsselorte für Bildung mit Zukunft!“, in: üben & musizieren, 4, 2011, S. 22-27, hier: S. 25.
2 vgl. Röbke, Peter: „Lehrkräfte als eierlegende Wollmilchsäue? Ein Plädoyer für das Ende der Überforderung“ in: üben & musizieren, 4, 2012, S. 16-20, hier: S. 17.
3 ebd.
4 Die folgenden Aussagen zum Mehrwert von Teamteaching fußen auf Maria Anna Saulich (jetzt Waloschek): „Neue Perspektiven für den künstlerischen Einzelunterricht – Co-Teaching und Teamteaching an Musikhochschulen. Leitlinien anhand von Praxisbeispielen im Netzwerk Musik­hochschulen“, in: Clausen, Bernd/Geuen, Heinz (Hg.): Qualitätsmanagement und Lehrentwicklung an Musikhochschulen. Konzepte – Projekte – Perspektiven, Münster 2017, S. 207-233, hier: S. 216 ff. Es handelt sich dabei um eine Interviewauswertung mit Lehrenden und Studierenden an Musikhochschulen. Auch wenn sich die Zielgruppe von Musikschulen und Musikhochschulen unterscheidet, so denke ich dennoch, dass viele der Aussagen auf beide Kontexte übertragbar sind.
5 angelehnt an Kempen, Denise/Rohr, Dirk: „Team Teaching in Higher Education“, in: Neues Handbuch Hochschullehre, L 3.6, Berlin 2011, S. 4.
6 vgl. Gräsel, Cornelia/Fußangel, Kathrin/Pröbstel, Christian: „Lehrkräfte zur Kooperation anregen – eine Aufgabe für Sisyphos“, in: Zeitschrift für Pädagogik, 52(2), 2006, S. 205-219.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 6/2023.