Beginner Book

Seit mehr als 30 Jahren findet man Jost Nickel als Drummer auf deutschen und internationalen Pop-Bühnen, mal mit Jan Delay oder SEED, mal mit Johannes Oerding, Sasha oder Marteria. Sein zweites, nicht ganz so bekanntes Arbeitsfeld ist der Jazz. Im Studio und live spielte er mit Größen wir Randy Brecker, Bob Mintzer und Brandon Fields. Ein kompletter Musiker also, aber auch ein hochkarätiger Pädagoge, der an der Popakademie in Mannheim unterrichtet, weltweit Clinics abhält und bereits mehr als zehn Schlagzeugschulwerke, von denen einige sogar preisgekrönt wurden, veröffentlich hat. Um es vorweg zu sagen: Auch das Beginner Book ist preisverdächtig!
Mit seiner neuen Veröffentlichung bei Alfred Music geht Jost Nickel zurück an die Anfänge des Schlagzeugspiels. Zuerst wird das Drumset aufgebaut und eingestellt, dann folgen einige wenige Hinweise zur Spieltechnik und eine Einführung in die Notation: „Ganz wichtig finde ich, dass du von Anfang an Noten lernst, weil dies das Lernen der verschiedenen Grooves und Fills viel leichter macht.“
Aus guten Gründen wird im Beginner Book von Anfang an am ganzen Instrument gearbeitet. Welcher Schüler, welche Schülerin ist nicht begeistert vom großen Trommel- und Beckenkonglomerat des Drumsets, wer will nicht sofort aufs Ganze gehen? Ein zweites Argument ist die Koordinationsschulung. Man kann nie früh genug damit beginnen, die Bewegungsmuster von Armen und Beinen aufeinander abzustimmen. Schließlich sollen die Klänge von Bassdrum, Snare, Hihat, Toms und Becken zu einer Einheit verschmelzen, das Mik­rotiming und die Soundbalance müssen stimmen. In der Folge also viele kleine Schritte, irgendwann kommen die schnelleren Notenwerte, die Koordinationsaufgaben werden herausfordernder.
An drei Stellen finden sich Drumset-Duette als besondere Motivationsinseln. Hier wird das Gelernte auf den Punkt gebracht, die vielfältigen Kombinationen aus Standardpatterns, Grooves und Fills machen die musikalische Architektur erlebbar und lassen die Beginner ahnen, welche strukturbildende Kraft gutes Schlagzeugspiel hat.
Dass Jost Nickel die 414 Audiobeispiele selbst eingespielt und diese Aufgabe nicht wie oft üblich einem Drumcomputer übertragen hat, ist eine Frage der Drummer-Ehre, aber auch musikpädagogisch relevant: Beim Hören des originalen Klangbilds bekommen die AnfängerInnen einen besseren Eindruck davon, was gutes Schlagzeugspiel über ein exzellentes Timing hinaus ausmacht. Wie phrasiere ich? Welche Rolle spielt die Dynamik? Wie erreiche ich mit minimalen Veränderungen von Anschlag­stärke und -stelle einen richtig guten Gesamtsound? Nickels kleine Audios sind, gleich ob schlichte Hihat-Linie oder mittelkomplexes Drumset-Solo, knappe und doch äußerst aussagekräftige Lektionen in lebendigem Schlagzeugspiel: für alle DrummerInnen, nicht nur Beginner.
Stephan Froleyks