Hartmann, Béla

Big Pieces for Small Hands

Six piano pieces for inter­mediate to advanced players

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Goodmusic Publishing, ­Tewkesbury 2023
erschienen in: üben & musizieren 6/2023 , Seite 64

Kompositorische Studien im Stile von Bach oder Mendelssohn sind während des Musikstudiums, vor allem bei Komposition als Haupt­fach, grundlegende und wichtige Stilübungen. Um solche aber zu veröffentlichen, sollten diese in einer ansprechenden und in sich schlüssigen Tonsprache im jeweils angestrebten Stil komponiert sein und einen zusätzlichen pädagogischen Zweck erfüllen.
Beide Kriterien treffen auf die Big Pieces for Small Hands vom 1971 in Stuttgart geborenen Pianisten und Komponisten Béla Hartmann zu. Die sechs nicht sehr umfangreichen Etüden und Charakterstücke sind extra für kleine Hände geschrieben. Anlass dazu gab Hartmanns Tochter Eliska, für deren kleine Hände Originalliteratur der Romantik von Chopin oder Mendelssohn noch zu vollgriffig war. Und genau zu den großen Werken der Romantiker wollen Hartmanns Stücke eine Brücke bauen.
Eine spielfreudige Etüde und ein leichtfüßiges Scherzo trainieren das Leggiero-Spiel. Beim Lied ohne Worte obliegt der linken Hand der ansprechende Zwie­gesang von Bass und Diskant, während die rechte Hand in der Mittellage wenig anstrengende Akkordbrechungen spielt. Die zweite, an Chopin oder den frühen Skrjabin erinnernde, wesentlich anspruchsvollere b-Moll-Etüde trainiert ein bewegliches Akkordspiel und ist prägnant und ausdrucksstark in ihrem Appassionato-Charakter. Hier fehlt allerdings in Takt 23 ein wichtiges Auflösungszeichen in der linken Hand. Ein kleines d-Moll- Präludium erinnert in den Sequenzen und dem metrisch freien Linienspiel an Bachs Präludien.
Zahlreiche für SchülerInnen hilfreiche Fingersätze erleichtern das Einstudieren der sechs in einem guten und übersichtlichen Notensatz gedruckten Stücke. Auf Pedalangaben hat der Komponist allerdings fast ganz verzichtet. Diese wären für die b-Moll-Etüde und vor allem die festliche, an Elgar erinnernde Introduktion aber wichtig. In Letzterer können die wie Orgelpunkte eingesetzten Bassoktaven eigentlich nur mit dem mittleren Pedal gehalten werden. Das rechte Pedal muss die Harmoniewechsel bei den rhythmisch punktierten Akkorden mitmachen. Auf einem Klavier lässt sich das nur schwer umsetzen.
Die klangschönen Klavierstücke bieten nicht nur jungen KlavierspielerInnen eine passende Brücke zu den Werken der großen Romantiker, ohne zu viel an komplexem Akkordspiel oder Virtuosität zu verlangen. Die gelungenen, von einem erfahrenen Pianisten und Klavierpädagogen komponierten Stilübungen machen neugierig auf die realen Vorbilder und animieren dazu, sich mit diesen zu beschäftigen.
Béla Hartmann hat die gut zehn Minuten dauernden Big Pieces selbst eingespielt. Dabei wird deutlich, wie viel ihm an einem ausdrucksvollen Klangsinn und gleichzeitig einer transparenten, pianistisch ausgefeilten Wiedergabe gelegen ist.
Christoph J. Keller