Kalcher, Anna Maria

Orff im Wandel der Zeit

Kunst trifft Pädagogik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Reichert/zeitpunkt musik, Wiesbaden 2022
erschienen in: üben & musizieren 1/2024 , Seite 59

Die Beiträge des Sammelbands sind im Rahmen einer Vortragsreihe und eines Symposiums am Mozarteum Salzburg anlässlich des 125. Geburtstags Orffs bzw. des 60-jährigen Bestehens des dortigen Orff-Instituts entstanden. In der Einleitung wird u. a. der Untertitel näher erläutert: So seien mit diesem Aufeinandertreffen verschiedene „Dynamiken“ und „Herausforderungen“ verbunden, die es zu untersuchen gelte. Hierzu wird Carl Orff als Bezugsperson gewählt.
Die insgesamt 16 Beiträge lassen sich in drei größere Abschnitte einteilen: Die ersten fünf Beiträge beschäftigen sich aus historischer und musikanalytischer Perspektive mit dem musikalischen Werk und der Biografie Carl Orffs. Thomas Rösch untersucht Orffs Bühnenwerke, Sigrun Heinzelmann vergleicht Ausschnitte der Carmina Burana mit Strawinskys Psalmensymphonie, Bartolo Musil untersucht die stimmlichen Vortragsweisen im Œuvre Orffs und Oliver Rathkolb blickt auf die Zeit Orffs im Nationalsozialismus. Der Abschnitt wird mit einem zweiten Beitrag von Thomas Rösch zum Einfluss von Curt Sachs auf Orffs Musik abgeschlossen.
Die folgenden drei Artikel blicken – weiterhin aus einer vor allem historischen Perspektive – auf das pädagogische Handeln Orffs. Sowohl Michaela Kugler als auch Wolfgang Hartmann rücken das Orff-Schulwerk in den Fokus. Dabei werden etwa Einflüsse auf das Werk von Jaques Dalcroze beschrieben und Ana­lysen der Übungsstücke vorgenommen. Thomas Hochradner geht auf die Gründung des Orff-Instituts in Salzburg ein und beschäftigt sich u. a. mit der Zusammenarbeit von Orff und Eberhard Preußner, dem damaligen Direktor des Mozarteums.
Die acht abschließenden Beiträge von Anna Maria Kalcher, Michaela Schwarzbauer und Katharina Anzengruber, Charlotte Fröhlich, Regina Pauls und Johanna Metz, Ines Mainz und Kaspar Mainz, Wolfgang Mastnak sowie von Sibylle Köllinger-Krebl stellen Bezüge zwischen Orff und aktuellen Diskussion aus dem Bereich der (Elementaren) Musikpädagogik her. So werden aktuelle Lerntheorien auf Orffs Werk angewendet, der Begriff des Elementaren kritisch durchleuchtet und nach inklusiven und therapeutischen Potenzialen des Ansatzes gefragt.
Die Person Carl Orff ist bedeutsam für den Bereich der Elementaren Musikpädagogik und es ist nachvollziehbar, dass dieser eine große Aufmerksamkeit zuteil wird. Der Bezug zu Orff, zu seinen Begriffen und zu seiner Sprache lässt allerdings immer wieder eine Gedankenwelt aus dem frühen 20. Jahrhundert mitschwingen, die einengend wirken kann. Das gilt etwa für die von Anfang an strikt vorgenommene Trennung von Kunst und Pädagogik. Gerade im Rahmen der zunehmenden wissenschaftlichen Profilierung des Fachs EMP ist hier eine kritische Distanz wichtig.
Die Publikation ist insgesamt ein Erfolg: Die thematische Vielfalt macht den Band abwechslungsreich und kurzweilig.
Matthias Goebel