Rothen, Roman

Video-Chat-Duos zum Online-Musizieren

für zwei Gitarren im Online-Duett

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Heinrichshofen, Wilhelmshaven 2022
erschienen in: üben & musizieren 1/2024 , Seite 63

Seit der Pandemie gehört Onlineunterricht zum Alltag von Instrumentallehrkräften. Der Bassist und Gitarrist Roman Rothen hat eine Sammlung an Stücken vorgelegt, die für diese Form des Unterrichts geeignet sein sollen. Ein Hauptproblem des Onlineunterrichts ist die Zeitverzögerung, auch Latenz genannt, die ein ­timing-genaues gleichzeitiges Spielen erschwert. Rothen versucht dieses Problem durch abwechselndes Spiel zu lösen.
In Kapitel 1 (Soundcheck) finden sich dazu sechs Stücke, um die Verbindung zu testen. SchülerIn und Lehrkraft spielen dabei immer jeweils einen Takt. Flüssig aneinander gehängt ergibt sich so eine Melodie. Falls die Internetverbindung etwas ruckelt, können die Melodien auch ohne festes Tempo gespielt werden.
Diese Vorgehensweise kommt auch im Präsenzunterricht oft vor, wenn der Schüler die Phrasen noch nicht sicher beherrscht oder der Rhythmus nicht ganz klar ist. Die sechs Einsteigerstücke klingen gut und vereinen Elemente aus Pop, Klassik und Jazz zu einem melodischen Ganzen.
In Kapitel 2 wird das Konzept des abwechselnden Spiels mit schwierigeren Duos fortgesetzt. Durch komplexere Rhythmik und mehr Akkorde entsteht so ein echtes Duospiel, bei dem die Stimmen nicht nur eine auf zwei Gitarren verteilte Melodie darstellen, sondern sich ergänzen und im Frage-Antwort-Modus agieren. Alle Stücke sind mit internetbezogenen Titeln versehen, was den Unterricht sicher auflockert und bei Verbindungshängern viel Möglichkeiten für lustige Kommentare gibt.
Im Kapitel 3 werden Akkorde in typische Strumming-Patterns gespielt und mit kleinen Fills kombiniert. Ein paar der Akkordverbindungen klingen leicht kons­truiert und ergeben keine stringenten Stücke wie in Kapitel 1 und 2 – hier muss man auch der Unterrichtssituation Rechnung tragen. Der übungshafte Charakter ist daher zu verschmerzen.
In Kapitel 4 werden Akkordfolgen mit improvisierten Solopassagen verbunden. An harmonischem Material stehen neben diatonischen Akkordfolgen auch Bluesschemen und II-V-I-Verbindungen zur Auswahl. Den Abschluss bilden einige Traditionals, darunter Au Clair de la Lune und Ode an die Freude. Obwohl diese Melodien etwas abgegriffen sind, dürften sie im abwechselnden Spiel sicherlich gut funktionieren.
Roman Rothens Band bietet auf jeden Fall zahlreiche Anregungen, wie man den Videounterricht spannend gestalten und technische Probleme umgehen kann. Interessant finde ich vor allem die Konzepte, die sich auch leicht auf andere Stücke oder Melodien übertragen lassen. Es ist daher gar nicht nötig, den Band von vorne bis hinten durchzuspielen. Stattdessen kann man ihn als Startrampe für eigene Ideen benutzen, getreu dem von Rothen in einem Interview geäußerten Motto: „Der Onlineunterricht ist nicht besser oder schlechter, aber anders.“
Martin Schmidt