Oesterreich, Helmut

Gitarre unterrichten

Didaktik – Methodik – ­Lehrproben, mit Videos

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: AMA, Brühl 2023
erschienen in: üben & musizieren 2/2024 , Seite 59

Es gibt Bücher, bei denen ich mir wünsche, dass es sie schon wäh­rend des eigenen Studiums gegeben hätte. Helmut Oesterreichs Gitarre unterrichten ist so eines. Wenn ich an die Fachdidaktik-Seminare zu meinen Studienzeiten zurückdenke, bleibt vor allem in Erinnerung, dass es nichts gab, an dem wir uns orientieren konnten. Ob Musikgeschichte, Musiktheorie oder Formenlehre: Überall konnten wir mit Lehrbüchern arbeiten. Nur in Fachdidaktik Gitarre gab es nichts. Hier schafft Oesterreichs Buch endlich Abhilfe.
Systematisch diskutiert der Autor die unterschiedlichen Kompetenzbereiche einer Lehrkraft: sozial-kommunikativ, methodisch, didaktisch, musikalisch. Seine Darlegungen sind immer praxisnah, werden jedoch auch durch musikpädagogische Schriften von Anselm Ernst oder Ulrich Mahlert untermauert, ohne dass das Buch zu theoretisch wirkt. 18 über QR-Codes zu erreichende Videos mit SchülerInnen in Unterrichtssituationen ergänzen die Texte.
Diskussion der Vor- und Nachteile von Einzel- und Gruppenunterricht, von angelegtem und nicht angelegtem Anschlag, Darstellung der Spieltechniken für Unter-, Mittel- und Oberstimme mit separaten Rubriken „Häufig auftretende Fehler“ und „Vom Lehrer zu beachten“, aber auch Ideen zur Planung und Durchführung einer Unterrichtsstunde samt Kopiervorlagen: Mit Helmut Oesterreichs Buch kann man das Unterrichten lernen.
Aus dem Füllhorn an Ideen nur ein paar Beispiele: den Schüler nicht mit mehreren Kritikpunkten gleichzeitig zu konfrontieren, sondern „immer nur einen (den wichtigsten) Aspekt anzusprechen und diesen erst abzuarbeiten, bevor ein weiterer Kritikpunkt zur Sprache kommt“; bei der Erarbeitung schwieriger Stellen ein Fünf-Schritte-Programm  anzuwenden; oder: Ablöseaufgaben im Gruppenunterricht wie zirkulierendes Wechselspiel lassen alle Gruppenmitglieder aufmerksam zuhören, um ihren Einsatz nicht zu verpassen, auch wenn sie gerade nicht beschäftigt sind. Schwierige Rhythmen erst klatschen, dann auf einer Leersaite und erst anschließend mit den vorgegebenen Noten spielen lassen. Und vor allem: „Üben heißt Wiederholen des Richtigen.“
An manchen Stellen wünscht man sich noch mehr direkte Bezüge zu Etüden und Lehrwerken. Wenn sich Oesterreich an wissenschaftliche Gepflogenheiten bei der Art, Literaturangaben zu machen, halten und statt Wikipedia-Artikel Fachtexte angeben würde, im Literaturverzeichnis zwischen Notenausgaben und Fachliteratur trennen würde und im Text nicht Pauschalverweise auf die Zeitschrift üben & musizieren gäbe, sondern genauso präzise, wie er Unterrichtssituationen analysiert, auch mit seinen Quellen umginge, hätte das Buch das Zeug zu einem Standardwerk. Aber auch so ist es eine lang ersehnte Hilfe für Gitarrenlehrkräfte und FachdidaktikdozentInnen.
Jörg Jewanski