Battanchon, Felix

12 Etüden in der ­Daumenlage

für Violoncello solo op. 25, hg. von Martin Rummel

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2008
erschienen in: üben & musizieren 2/2009 , Seite 61

Im Zuge seiner Publikationsreihe bedeutender Cello-Etüden in Neuausgaben legt Bärenreiter nach Werken von Duport, Popper, Grützmacher und anderen nun eine Sammlung vor, die hierzulande geringere Verbreitung gefunden hat als die zuvor genannten und deren Komponist nur Eingeweihten bekannt sein dürfte. Dabei ist Felix Battanchon (1814-1893) durchaus Teil jener würdigen Ahnenreihe französischer Cellisten, die bei Berteau und den Brüdern Duport beginnt und im Lauf des 19. Jahrhunderts zahlreiche bedeutende Musiker hervorgebracht hat. Wie seine Zeitgenossen Franchomme und Chevillard studierte auch Battanchon beim berühmten Konservatoriumslehrer Norblin. 1840 trat er in die Dienste des Orchesters der Opéra ein, über sein weiteres Leben sind keine Details bekannt.
Neben mehreren Etüdensammlungen hinterließ Battanchon Salonpiècen – etwa ein Souvenir de Beethoven – sowie Kompositionen für Celloensemble, die heute weitgehend vergessen sind. Die zwölf Daumenetüden stellen in ihrer Zuspitzung eine Bereicherung des Repertoires dar, wobei freilich auch Etüden Grützmachers und Poppers lange Passagen enthalten, in denen die „Füße“ kaum je den Boden berühren. Im Übrigen ist nur eine einzige Battanchon-Etüde (Nr. 1) von A bis Z in der Daumenlage und noch dazu in ein und derselben Position zu spielen. Die meisten Etüden beziehen auch den unteren Lagenbereich ein, hier und da indes mögen Zweifel erlaubt sein, ob Herausgeber Martin Rummel in die Intentionen des Komponisten eingegriffen hat: Manche Stelle, die Rummel mittels seiner Fingersatzangaben der Daumenlage enthebt und anderen Regionen zuführt, wäre unter Einbeziehung des Daumens denk- und spielbar.
Ob wir dem Herausgeber Unrecht tun, ist allerdings schwer festzustellen, da die Vorlage der aktuellen Edition – die Hofmeister-Ausgabe aus dem späten 19. Jahrhundert – nicht mehr lieferbar ist. Gerade dieser Umstand aber verleiht der neuen Bärenreiter-Ausgabe im Vergleich mit den zuvor publizierten Etüdenbänden einen höheren Stellenwert: Sie macht ein dem cellistischen Bewusstsein entschwundenes Etüdenwerk wieder zugänglich und tritt nicht – wie etwa im Fall der Popper-Etüden – gegenüber den gängigen Ausgaben als „suggerierter Urtext“ auf.
Battanchons Etüden sind insofern progressiv geordnet, als der Daumen Halbton für Halbton nach oben wandert, wobei der jeweilige Daumen-Ton auf der D-Saite immer den Grundton der betreffenden Etüde bildet. Lediglich zwei Positionen (fis und as) sind ausgespart, dafür enthält die Sammlung eine C-Dur- und eine c-Moll-Etüde sowie zwei A-Dur-Etüden (Nr. 1 und Nr. 12). Ein Kanon avancierter Cellotechnik des 19. Jahrhunderts wird abgeprüft: schnelle Läufe, Dreiklangsfiguren, Arpeggien, Doppelgriffe, Spiccato-, Staccato- und Legato-Artikulation – alles was man braucht, um etwa ein Saint-Saëns-Konzert perfekt spielen zu können.
Gerhard Anders