Rebikov, Vladimir

15 Klavierstücke

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Robert Forberg Musikverlag, Berlin 2014
erschienen in: üben & musizieren 5/2014 , Seite 58

Das Geburtsjahr 1866 des im ­sibirischen Krasnojarsk geborenen Komponisten Vladimir Rebikov lässt vermuten, dass man es mit einem der vielen russischen Spätromantiker vom Schlage eines Lyapunov, Blumenfeld oder Arensky zu tun hat: gewandt in der meist virtuosen, weitgriffigen Pianistik, in Form und Aussage der Stücke aber vielfach austauschbar. Dies trifft aber auf den in Moskau, Wien und Berlin ausgebildeten, ab 1909 bis zu seinem Tode 1920 auf der Krim lebenden Rebikov nicht zu; denn er zieht zum einen fast nie die virtuose Karte und versteht sich zum anderen als Neuerer, der die Tonalität nicht eigentlich verlässt, aber versucht, durch harmonische Eigenwilligkeiten ein neues und eigenständiges Ausdrucksterrain zu erobern.
Auch wenn die Innovationen Rebikovs weit hinter der ab etwa 1907 eklatanten Modernität Alexander Skrjabins zurückbleiben, so verdienen seine „sanften“ Neuerungen gleichwohl einen Platz in der Musikgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts. Daher ist die Auwahl von fünfzehn Stücken aus Rebikovs Werk, die der Regensburger Pianist und Saxofonist Markus Heinze hier vorlegt, als Bereicherung zu begrüßen, die auch im Klavierspiel der unteren Mittelstufe bereits ihren Platz finden kann.
Sofort ins Auge sticht der durch Franz von Stucks Gemälde Luzifer inspirierte Titel Les Démons s’amusent op. 15 Nr. 2: knapp 50 Takte guter Dämonenlaune, mit rhythmisch und manuell einfachen Spielfiguren, die konsequent die Ganztonleiter anwenden und in ein offenes Ende mit übermäßigem Dreiklang münden. Mit ähnlichem Material arbeitet Moment d’allegresse Nr. 4, während die Nr. 3 desselben Zyklus als Etüde mit Quintbewegungen beider Hände daherkommt, ausschließlich auf weißen Tasten zu spielen.
Von geradezu bartókscher Suggestivität sind die Ours aus Les étrennes de Noël, eine zwei- bis dreistimmige Bärenstudie in der tiefen Lage des Instruments. In Quartschritten bewegt sich die Chanson blanche op. 48 Nr. 4, und Cortège aus En Orient lässt wiederum einer marschbetonten Freude an der (im traditionellen Tonsatz verbotenen) Quintparallele freien Lauf. Dazwischen eingestreut einige eher genrehafte romantische Moll-Szenen wie Feux du soir, Feuilles d’automne etc.
Das editorisch und satztechnisch sorgfältig betreute Heft kann durchaus als repräsentative Auswahl aus Rebikovs Klavierschaffen gelten, deren Erstausgaben bis zur Oktoberrevolution 1917 meist bei Jurgenson in Moskau erschienen sind. Man vermisst allenfalls ein Beispiel aus der Suite Au-delà op. 47, einer frühen musikalischen Auseinandersetzung mit den schwarzen, „jenseitigen“ Bildern des Malers Francisco de Goya.
Rainer Klaas