Schubert, Franz
3 Sonatinen op. posth. 137
für Violine und Klavier D-Dur/a-Moll/g-Moll
Selten hat eine vom Verleger entgegen den Intentionen des Komponisten gewählte Genre-Bezeichnung die Rezeption von Musik derart unvorteilhaft beeinflusst wie im Fall der „Sonatinen“ op. 137 von Schubert. 1816 schrieb Schubert drei Sonaten für Klavier und Violine. Im Druck beim Wiener Musikverleger Anton Diabelli erschienen die Werke aber erst 1836, also sieben Jahre nach des Komponisten Tod, unter der Opuszahl 137 als „Drei Sonatinen für Piano-Forte und Violine“. Vermutlich da sie relativ leicht zu spielen (aber auch da sollte man sich nicht täuschen lassen!) und recht eingängig sind, verfiel Diabelli auf die Idee, es sei ihrer Popularisierung und damit auch der Verkaufbarkeit förderlich, sie zu Sonatinen umzudeklarieren.
Nun haftet der Gattung der Sonatine ein Beigeschmack unterhaltsamer Leichtgewichtigkeit, auch didaktischen Charakters, ein Geschmäckle von „Schülersonate“ an. Nichts wäre diesen Werken Schuberts unangemessener. Es handelt sich um vollgültige, reife, meisterlich ausgeführte Sonaten, zugegebenermaßen wohl eher gedacht und geeignet zur Aufführung in kammermusikalischem Rahmen denn auf großer Konzertbühne.
Erstaunlich und beeindruckend immer wieder die Vielfalt, ja Gegensätzlichkeit dieses Opus 137. Auf das unbeschwerte, fröhliche, temperamentvolle Werk in D‑Dur folgt die düstere, ja durchaus dramatische Sonate in a‑Moll, die bereits die spätere Klaviersonate op. 143 in der gleichen Tonart anzukündigen scheint. Die dritte im Bunde in g‑Moll besticht durch eine eigentümliche Mischung aus Wehmut, Charme und tänzerischer Eleganz.
An sich besteht kein Mangel an Urtext-Editionen des schubertschen Opus 137. Den gängigen und bewährten Ausgaben von Henle, Wiener Urtext, Bärenreiter usw. fügt Peters jetzt eine weitere hinzu. Beibehalten wird – der Tradition halber – die Bezeichnung der Erstausgabe. Verzichtet hat man auf jegliche Art der geigerischen oder pianistischen Einrichtung, also auf Fingersatz- oder Bogenstrichvorschläge, der Text bietet gewissermaßen „Schubert pur“.
Was diese Ausgabe interessant macht, ist vor allem der akribische Revisionsbericht, in dessen Einzelanmerkungen die verschiedenen Quellen – darunter im Falle der D‑Dur-Sonate mehrere autografe Manuskripte – aufgeführt, miteinander abgeglichen und in ihren Abweichungen dokumentiert sind. Eine Ausgabe also gewissenermaßen für Profis, die auf spielpraktische Anregungen gerne verzichten, stattdessen aber interessante Einblicke in Arbeitsweise und Notationseigenart des Komponisten nehmen möchten.
Als unlösbares Problem erweist sich die Unterscheidbarkeit von Akzenten und Diminuendo-Nadeln in Schuberts Handschrift. Hier ist jeder Herausgeber letztendlich gehalten, nach eigenem Ermessen zu entscheiden. Die Ausgabe als solche ist an sich untadelig, wenn auch im Druckbild der Klavierstimme ein wenig eng geraten.
Herwig Zack