Linzer Improvisationstage © Karen Schlimp

Schlimp, Karen

3 × Tanz

Kompositionen als Ausgangspunkt fürs Improvisieren

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 2/2021 , Seite 22

Anders als bei der Freien Improvisa­tion, bei der alles selbst erfunden und ­gestaltet werden muss, kann beim Improvisieren mit Literaturstücken auf bereits vorhandenes Material zugegriffen werden. Welche unterschiedlichen Aspekte von Komposi­tionen als Inspiration dienen und didaktisch vermittelt werden können, wird an Hand von drei Beispielen gezeigt – als Anregung, um weitere Themen zur Impro­visation aus vorhandener Literatur abzuleiten.

Kompositionen sind vielschichtig. Verschiedenste Aspekte können als Ausgangspunkt für Improvisationen dienen: Titel, Form, Spieltechnik, Arrangement, Instrumentation, Takt­art, Rhythmus, Melodie, Harmonik, Tonart, Charakter, Stil etc. Grundsätzlich lassen sich aus einem Stück unterschiedliche Improvi­sationsfelder ableiten, allerdings tritt häufig ein bestimmter Aspekt besonders hervor. Bei einer Etüde beispielweise, die wiederholbare Bewegungsmuster hat, bietet sich eine Improvisation mit fortlaufenden Spielfiguren an. Ein Stück, das auf charakteristischen Harmonien beruht, lädt zum Improvisieren mit Dreiklangszerlegungen ein; und ein Stück mit zeitgenössischen Spieltechniken eher zum experimentellen Improvisieren.

Carolan’s Welcome

Der Tanz Carolan’s Welcome, ein Stück des blinden Harfenisten Turlough O’Carolan (1670-1738),1 findet sich in vielen Sammlungen und unzähligen Arrangements für verschiedene Instrumente. Zunächst kann man sich Gedanken zum Charakter des Titels machen: Wie würde jeder und jede von uns Willkommen spielen? Feierlich, freudig, innig oder verhalten? Mit welchen Mitteln wie zum Beispiel Rhythmus, Tonart oder Taktart lässt sich das in einer Improvisation umsetzen? In diesem Stadium lasse ich die Wahl des musikalischen Materials frei und verwende noch nicht dieselben Bausteine wie der Komponist. Anhand des Gegenstücks „Abschied“ könnte das noch stärker herausgearbeitet werden. Bei Turlough O’Carolan findet sich auch ein Stück mit dem Titel Farewell to Music. Die Improvisationsanleitung könnte also lauten: Spiele zwei kontrastierende Stücke mit den Titeln Willkommen und Abschied.

Spiel mit Harmonietönen
Inspiriert von der Originalversion bietet sich Carolan’s Welcome zum Improvisieren mit Dreiklangstönen in der Begleitung an. Dazu ist es wichtig, dass zu Beginn einfache Harmonien verwendet werden, die nicht zu viele schnelle Wechsel enthalten…

1 John and William Neal: A Colection of the most Celeb­rated Irish Tunes proper for the Violin German Flute or Hautboy, Dublin undated [1724].

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2021.