Kulenkampff, Heiko

30 Klavier-Features für Links

von leicht bis ganz schön schwierig, mit CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: AMA, Brühl 2013
erschienen in: üben & musizieren 1/2014 , Seite 51

Die linke Hand der PianistInnen bedarf der besonderen Zuwendung. Dieser Hand hat sich nun der Pianist und Komponist Heiko Kulenkampff angenommen. Der Titel führt ein wenig in die Irre, bedeutet doch „für Links“ nicht, dass es Musik für die linke Hand allein wäre. Der Begriff „Feature“ ist hier wohl den Auftrittsmodalitäten bei Konzerten im Pop/Jazz-Bereich entlehnt, wo eine Band etwa einen „special guest“ in den Mittelpunkt stellt, ihn „featured“. Insofern könnte man Kulenkampffs dezidierte Einladung an Klavierspielende, „sich mit den Ausdrucksmöglichkeiten ihrer linken Hand auseinanderzusetzen und die Bass- und Baritonlage des Klaviers besser kennenzulernen“, auch ausweiten auf Keyboard-SchülerInnen.
Die dreißig Stücke mit einer Länge zwischen einer und vier Seiten spiegeln das weite Spektrum heutiger Popmusik im weitesten Sinne wider – vom „kleinen Popsong“ à la Lena über eine Randy-Newmann-Ballade, von einer Herbie-Hancock-Reminiszenz bis zur Techno-Rap-Nummer, von Tango, Habanera, Jazz-Rock, Swing oder Reggae zum „ruppigen“ Seemanns-Walzer. All das ist melodisch und harmonisch reizvoll erfunden, rhythmisch natürlich dem Pop- und Jazzbereich verpflichtet, wobei synkopische, sprich Offbeat-Strukturen übersichtlich notiert sind – anders als in manchen Pop-Heften, aus denen unsere SchülerInnen so gerne spielen möchten, um dann rasch aufzugeben.
Das weist aber auch auf ein Prob­lem dieses Bandes hin. Die Wünsche unserer SchülerInnen zielen in der Regel auf die Musik, mit der sie täglich zu tun haben. Sie wollen die „bekannten Songs“ spielen, und es wird viel Überzeugungsarbeit kosten, ihnen die artifizielle, auch „künstliche“ Popmusik dieses Bandes zu „verkaufen“.
„Mit Links“ im übertragenen Sinne geht hier fast gar nichts. Auch wenn es dem Schwierigkeitsgrad etwa von Bartóks Für Kinder entspricht. Aber die Kombination von führender linker Hand mit rhythmisch Ungewohntem, auch rhythmisch Vertracktem hat es in sich. Und z. B. das dem berühmten Brasil-Klassiker Tico tico verpflichtete Tico in the Cellar fordert schon gehörige pianistische Überlegenheit. Dieser Band ist quasi eine Anschaffung „fürs Musikschulleben“.
Die beiliegende CD mit Kulenkampff am Klavier will der Interpret ausdrücklich nicht „als ideal“ verstanden wissen. Man hätte sich denn auch gerade die balladesken, lyrischen Stücke weniger akademisch, verführerischer gewünscht. Da ist dann der Lehrer auch als „Vorspieler“ gefragt. Zur Mehrzahl der Stücke gibt es im Anhang Spieltipps zu den Themen Rhythmik (mit Hinweis auf die „t-k“-Technik), Pedalisierung, Dynamik. Nicht alle wirken dringend notwendig, helfen aber beim Selbststudium der Stücke. Fingersatz-Vorschläge sind eine nützliche Hilfe.
Günter Matysiak