Geronymo, Jairo

4 Prima Vistas

Blattspiel für 4 Solo-Hände an 2 Klavieren, 2 Spielhefte

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2016
erschienen in: üben & musizieren 5/2018 , Seite 55

Die Kunst des Blattspiels ist im üblichen Klavierunterricht recht schwer zu vermitteln, weil letztlich nur die ausdauernde Initia­tive des Lernenden über Jahre hinweg Erfolg verspricht. Die stete Neugier auf immer andere Stücke ist dabei eine wichtige Voraussetzung, natürlich auch – durch Übungen und gewissenhaft erarbeitetes „echtes“ Repertoire – der Erwerb von pianistischen Standardfloskeln, die im Lauf der Zeit immer selbstverständlicher eingesetzt werden. Das Vierhändigspiel kann in diesem Umfeld eine bedeutsame Katalysatorfunktion einnehmen, weil die pianistischen Fakturen eher überschaubar bleiben und zugleich der Wunsch zum gemeinsamen Musizieren mit Lehrerin oder Lehrer oder auch einem anderen Partner im Freundeskreis oder in der Familie einen nicht zu unterschätzenden Auftrieb verleiht.
Die vorliegende Sammlung, von dem gebürtigen Brasilianer und Wahl-Berliner Jairo Geronymo entworfen und von der Fuldaer Klavierpädagogin Sigrid Naumann ediert, liefert ansprechendes Material für die Schulung von Blatt- und Vierhändig- bzw. zweiklavierigem Spiel – mit der Besonderheit, dass der komplette Satz auf bis zu vier SpielerInnen an zwei Klavieren verteilt werden kann. Diskant (Violinschlüssel) und Bass (Bassschlüs­sel) sind bei Klavier I und II so weit auseinandergezogen, dass eine störungsfreie Ausführung jeweils mit zwei SpielerInnen möglich ist; natürlich kann die Lehrperson dabei auch Klavier I oder II komplett übernehmen.
Von Charpentiers Te Deum über das Menuett aus Mozarts g-Moll-Sinfonie, Schuberts Militärmarsch oder Chopins A-Dur-Polonaise bis hin zu Bizets Carmen-Ouvertüre oder Manfred Schmitz’ Blues Fair reicht der Reigen der stilistisch abwechslungsreichen Stücke in leichtem, zuweilen vielleicht etwas zu oktavierungsträchtigem Satz. Extremlagen werden vermieden; wenn mehrere Hilfslinien eingesetzt werden, so ist die Leserlichkeit meist durch Oktavgriffe bzw. durch diatonische Fortschreitungen abgesichert. Auch die rhythmischen Anforderungen halten sich in einem engen Rahmen.
Die vier Parts sind durch Spielkarten-Symbole gekennzeichnet, was angesichts fehlender Farbigkeit allerdings nur eine geringe Orientierungshilfe bietet. Für manche SpielerInnen mag dagegen die Offerte von download­baren Audiotracks auf der Breitkopf-Website von Nutzen sein, zumal drei verschiedene Tempi angeboten werden: Blattspiel-, Übungs- sowie Aufführungstempo. Die im Druckbild übersicht­liche, hinsichtlich Dynamik und Artikulation sorgfältig aufbereitete Edition wird in zwei identischen Exemplaren ausgeliefert.
Rainer Klaas