Duarte, John W.
A celebration of his music for guitar
selected by Paul Coles
100 Jahre wäre John W. Duarte 2019 geworden, eine der großen Persönlichkeiten der klassischen Gitarre, deren Entwicklung er prägte und kommentierte. Schon während seiner Berufsjahre als Chemiker veröffentlichte Duarte in Gitarrenzeitschriften, bis er sich im Alter von 40 Jahren endgültig für die Musik entschied. In den nächsten gut drei Jahrzehnten bis zu seinem Tod 2004 komponierte und arrangierte er unermüdlich für sein Instrument, schrieb Technikbände, war als Juror auf Wettbewerben in der ganzen Welt tätig, leitete Gitarrenfestivals, unterrichtete, veröffentlichte Rezensionen für Musikzeitschriften. Niemand dürfte so viele Einführungstexte für Gitarren-LPs und -CDs geschrieben haben wie er. Ein Tausendsassa der Gitarre, der seinen Horizont stets erweiterte und auch zu Themen außerhalb der sechs Saiten veröffentlichte.
Viele seiner Kompositionen für Gitarre, deren Opuszahl die 100 überschreitet, sind tonal mit folkloristischen Einflüssen oder verarbeiten Jazzharmonien, seine Bearbeitungen haben für die damalige Zeit mehrfach Neuland erschlossen. Seine Notenausgaben erschienen bei einem Dutzend verschiedener Verlage.
20 kurze Stücke, die in den 70er und 80er Jahren bei Universal Edition erschienen waren, wurden jetzt als Nachdruck in einem Sammelband anlässlich des Jubiläums veröffentlicht und spiegeln Duartes vielfältige editorische Aktivitäten wider. Es handelt sich zumeist um Bearbeitungen heute bekannter Werke von John Dowland, Gaspar Sanz, Domenico Scarlatti oder Silvius Leopold Weiss. Duartes einflussreiche Transkriptionen von Bachs Cellosuiten sowie seine bekanntesten Kompositionen wie English Suite op. 31 oder Variations on a Catalan Folk Song op. 25 erschienen bei anderen Verlagen und sind daher nicht in diesem Sammelband enthalten. Dafür wurden Eigenkompositionen wie Springdance, Broadway und Waltz II aufgenommen, ergänzt durch einige von Duarte für die Gitarre eingerichtete Werke seiner Zeitgenossen Rodrigo Riera, Reginald Smith Brindle und Máximo Diego Pujol.
Die Proportionen innerhalb der Sammlung zugunsten von Bearbeitungen heute hinlänglich bekannter Werke anstelle von Kompositionen von Duarte oder unbekannteren Transkriptionen schränken die Anwendung dieser Ausgabe deutlich ein.
Irritationen entstehen durch mehrfach fehlende Hinweise auf die fis-Stimmung für Renaissancemusik. Bei den zugefügten Lebensdaten von Anthony Holborne wird dieser vom 16. ins 19. Jahrhundert versetzt. Lückenlose Fingersätze für Passagen in der I. und II. Lage innerhalb einer Sammlung, die die gesamte Mittelstufe umfasst, waren schon damals unnötig. Das vom Herausgeber Paul Coles geschriebene Vorwort ist dafür, dass der Titel der Sammlung A celebration of his music for guitar verspricht, viel zu kurz geraten und verpasst die Chance, vor allem der jüngeren Generation Duartes Bedeutung für die Gitarre zu vermitteln.
Jörg Jewanski