© Bernd Clausen

Clausen, Bernd

Absolute Notwendigkeit

Akkreditierung, Evaluation und Qualitätssicherung an Musikhochschulen

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2024 , Seite 22

„Qualität, die geschieht bei uns jeden Tag“, echot es aus dem Kollegium, nicht selten mit dem Hinweis auf die Bühne als der Ort dafür. Dass es abseits davon jedoch lohnend und notwendig ist, über Qualität nachzudenken, zeigt dieser Beitrag in gebotener Kürze. Absicht ist es, einen knappen Einblick in Qualitätssicherung und -entwicklung an Musikhoch­schulen sowie in die damit verbundenen formalisierten Prozesse einer Programm- oder Systemakkreditierung zu geben.

Es schien, als seien die AkteurInnen an bundesrepublikanischen Musikhochschulen zu Beginn des 21. Jahrhunderts von einschneidenden Ereignissen überrascht worden: Gewohnte Abschlussbezeichnungen sollten zugunsten der Anglizismen Bachelor und Master aufgegeben werden, bildungsökonomische Schlagworte wie Outcome-, Kompetenzorientierung, Qualitätssicherung, Evaluation und Akkreditierung wurden in Zusammenhang mit künstlerischem Lernen und Lehren gebracht und Studiengänge waren nun nach einem zuvor auf europäischen Ebenen vereinbarten Regelwerk zu planen. Präsenz- oder Anwesenheitspflichten wurden in kont­rovers geführten Debatten zum Prüfstein nicht nur der Freiheit von Kunst und Wissenschaft, sondern auch von Lehre und Stu­dium.1
Mittlerweile gestalten Studierende, Lehrende, Leitung und Administration einen selbstbewussten Umgang mit diesen Themen, der zwischen musikhochschulspezifischen und allgemeinen, regulativen Sachlagen vermittelt.2 Die Studienstrukturreform nach 19993 rückte aber auch die Frage nach dem, was Qualität an Musikhochschulen meint und wie diese nachhaltig gesichert werden kann, in den Vordergrund.

Auf dem Weg

Vor 25 Jahren war mit der Bologna-Deklara­tion die Schaffung eines einheitlichen Hochschulraums erklärtes Ziel europäischer Bildungspolitik, auch um Vergleichbarkeit im tertiären Bildungssektor herzustellen. Interne und externe Evaluationsverfahren an allen Hochschulformen wurden zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit bereits früher gefordert. Diese Tendenz ist vor dem Hintergrund international vergleichender Studien (z. B. PISA) zu sehen, die ihrerseits wiederum in ökonomisch ausgerichteten Bildungsvorstellungen wurzeln und vor allem die Entwicklung von Standards zum Ziel haben.
2011 gab die Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen in der Reihe „Beiträge zur Hochschulpolitik der Hochschulrektorenkonferenz“ einen Band heraus, der eine differenziertere Auseinandersetzung mit den neuen Gegebenheiten von Seiten der deutschen Musikhochschulen dokumentiert als noch in einem Thesenpapier von 1999. Festgestellt wird, dass viele Musikhochschulen nunmehr in den Bologna-Prozess eingetreten seien, sie „praktizieren Evaluationen und gehen mit großer Selbstverständlichkeit mit Kennzahlen um“. Daher sei dieser Band notwendig geworden, „nicht zuletzt mit der Absicht, damit das alte Papier zu verdrängen“.4
2004 beschloss die Rektorenkonferenz, dass alle Musikhochschulen zukünftig einen vierjährigen Bachelor anbieten, da „innerhalb von drei Jahren kein künstlerischer oder musikpädagogischer Abschluss erreicht werden kann, mit dem die Absolventen später auf einem anspruchsvollen Arbeitsmarkt bestehen können“.5 So steht es dann auch in einem wichtigen Ordnungsmittel der Kultusministerkonferenz, den zuletzt 2010 überarbeiteten Ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen. Sie sind Richtschnur für Curriculumentwicklung und Qualitätssicherung.

1 vgl. z. B. Huber, Ludwig: „Lernfreiheit, Lehrfreiheit und Anwesenheitspflicht“, in: die hochschule. journal für wissenschaft und bildung, Heft 2, 2016, S. 81-93, https://doi.org/10.25656/01:16199; Schulmeister, Rolf: „Chancen und Grenzen einer Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltungen. Ein Studienreview zu Anwesenheit und Lernerfolg“, in: Großmann, Daniel/Engel, Christin/ Junkermann, Justus/Wolbring, Tobias (Hg.): Studentischer Workload: Definition, Messung und Einflüsse, Wiesbaden 2020, S. 253-270, https://doi.org/10.1007/ 978-3-658-28931-7_10 (Stand: 21.02.2024).
2 vgl. z. B. Clausen, Bernd/Geuen, Heinz (Hg.): Qualitätsmanagement und Lehrentwicklung an Musikhochschulen. Konzepte – Projekte – Perspektiven, Münster 2017; Schmitt-Weidmann, Karolin (Hg.): Lehre unter Strom. Digitale Perspektiven für Lehrende an Musikhochschulen, Hofheim 2023.
3 vgl. z. B. Hericks, Nicola: „Die Bologna-Reform im Überblick“, in: dies. (Hg.): Hochschulen im Spannungsfeld der Bologna-Reform, Wiesbaden 2018, S. 19-29; Brändle, Tobias: 10 Jahre Bologna-Prozess. Chancen, Herausforderungen und Problematiken, Wiesbaden 2010.
4 Hochschulrektorenkonferenz (Hg.): Die deutschen Musikhochschulen. Positionen und Dokumente, Bonn 2011, S. 9.
5 ebd., S. 31 f.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2024.