Martin, Rémy

Adventures on the High Seas für Klavier

mit einem Vorwort und Hinweisen für den Unterricht

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2024
erschienen in: üben & musizieren 5/2024 , Seite 61

Diese acht Charakterstücke für Klavier im mittleren Schwierigkeitsgrad bereiten Vergnügen beim Spielen und liegen zudem gut in der Hand. Weite Griffspannen werden ausgespart. Die acht Abenteuer auf hoher See sind mit fantasievollen Titeln versehen, die genügend Raum für eigene Assoziationen und den kindlich-jugendlichen Entdeckungswillen geben.
Stilistisch klingt vieles nach Filmmusik und Musical. Die zumeist recht schlichten und eingängigen Melodien sind manchmal eingebettet in hübsche, mit aparten Dissonanzen versehene Vor- oder Nachspiele. Eine in den Charakterstücken durchgängige oft ostinate Rhythmik gibt jeder Miniatur ihren eigenen Flair.
Leinen los ist im Fünfvierteltakt notiert, eine Hommage an die amerikanische Musik, Jig der Kelpies (ein Wasserwesen) im Zwölf­achteltakt inklusive einiger Hemiolen und die Lachmöwen werden im ternären Rhythmus gespielt. Zahlreiche Schwerpunktverschiebungen geben diesem Blues einen ganz individuellen Charakter. Die kleine Meerjungfrau erinnert besonders an Filmmusik, allerdings fehlt dem Valse lente im Mittelteil eine Melodie.
Klanglich sehr ansprechend ist das impressionistisch angehauchte Abschlussstück Die Tiefsee. Hier wird der Klaviersatz variab­ler, durch Arpeggien und auf- und abwärtsgehende Motive und Figuren, und die Tonsprache ist der Ganztonleiter entnommen. Dieses Stück bildet eine gute Vorübung zu Children’s Corner und den Préludes von Claude Debussy.
Den Abenteuern auf hoher See fehlt sonst allerdings die Einbeziehung der Tonsprache der Neuen Musik. Eine Nacht auf der Eisscholle müsste sich nicht unbedingt im romantischen G-Dur, hier an Saint-Saëns erinnernd, entfalten. Gerade die ostinat pochenden Tonwieder­holungen gäben Gelegenheit zu freitonalen Klangexperimenten und zur zusätzlichen Erkundung des Flügelinnenraums.
Die Notenausgabe ist gut lesbar und mit traditionellen Pedalzeichen und Fingersätzen versehen. Im Vorwort geht der Komponist auf die Entstehungsgeschichte des Werks ein. Der Anhang enthält ausführliche Hinweise zu den einzelnen Stücken, zu den assoziativen Titeln, klaviertechnischen Fragestellungen und musikalischen Bezügen.
Rémy Martin, Dozent für Klavier am Conservatoire de musique et de danse in Saintes, schreibt im Vorwort: „Ich hoffe, dass diese Stücke mit ihren eingängigen Themen sowohl eine Einführung in verschiedene Musikstile als auch eine Einladung zu neuen Abenteuern sein werden.“ Dies ist dem Komponisten sicher gelungen. Besonders Kinder und Jugendliche, die schon etwa vier Jahre Klavierunterricht hatten, werden an diesen Charakterstücken viel Freude haben. Zudem gibt es, besonders in rhythmischer Hinsicht, einiges zu lernen und auch die verschiedenen Dur-Moll-Tonarten werden variabel eingesetzt, sodass das Lesen von Vorzeichen vielfältig trainiert wird.
Christoph J. Keller