Janezic, Daniela / Sabine Walter / Julia Wikström

Allen zum Schutz

Zur Entwicklung des Kinderschutzkonzepts der Musikschulen Burgenland

Rubrik: Musikschule
erschienen in: üben & musizieren 2/2025 , Seite 36

Pflichtschulen in Österreich haben die gesetzliche Verpflichtung, bis zum Ende des Schuljahrs 2024/25 ein Kinderschutzkonzept zu implementieren. Die Musikschulen Burgenland haben sich bereits im Frühjahr 2023 zur Erarbeitung eines Kinderschutzkonzepts entschlossen, das nach einer einjährigen Arbeitsphase im Herbst 2024 der Öffentlichkeit präsentiert werden konnte. Unser Einblick in die Entwicklungsprozesse, Inhalte und Um­setzung soll andere Musikschulen zur Nachahmung ermutigen.

Mit dem Ziel, ein Kinderschutzkonzept für die Musikschulen Burgenland zu erstellen, ging die Sorge einher, dass dadurch im Kollegium Ängste entstehen könnten. So befürchteten manche KollegInnen zusätzliche Arbeitsbelastung oder sorgten sich, dass Situationen künftig überbewertet werden könnten. Daher war uns von Beginn an wichtig, im Kollegium eine positive Sichtweise auf das Thema zu etablieren.
Der Fokus sollte übergreifend auf einem sensiblen und wertschätzenden Umgang mit SchülerInnen, Eltern und KollegInnen liegen – mit einem Schwerpunkt auf professionellen Lehrer- und Schülerbeziehungen. Die Entwicklung eines Kinderschutzkonzepts ist also immer auch ein Beitrag zur Professionalisierung unserer pädagogischen Arbeit.
Ein weiterer Kerngedanke war, das Kollegium aktiv in den Entwicklungsprozess einzubinden; denn es ist wichtig, dass man am Ende des Prozesses nicht lediglich eine Broschüre zum Selbststudium erhält und einen Verhaltenskodex ohne Zusatzinformationen unterschreibt. Stattdessen sollte das Kollegium während des Entwicklungsprozesses mehrmals mit dem Thema in Berührung kommen, um sich letztlich mit dem Ergebnis identifizieren zu können.

Phasen der Entwicklung

Um in den Prozess der Entwicklung des Kinderschutzkonzepts zu starten, hat das Pädagogische Forum* der Musikschulen Burgenland gemeinsam mit dem Landesmusikschulreferenten Gerhard Gutschik im Sommer 2023 Kontakt zum Verein ECPAT Österreich (www.ecpat.at) aufgenommen, der sich als Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Rechte der Kinder versteht. Gemeinsam mit dessen Leiterin Waltraud Gugerbauer konnten wir Anknüpfungspunkte für unser Kinderschutzkonzept finden und einen Plan entwickeln, der entstehende Sorgen des Kollegiums vermeidet oder aufgreift.
Zunächst fanden im August 2023 Workshops zu Risikoanalysen für die Schulleitungen und die FachbereichssprecherInnen statt, bevor im September 2023 alle Lehrkräfte im Rahmen eines landesweiten Lehrertags über den bevorstehenden Prozess informiert wurden. Ein zehnköpfiges Projektteam startete mit der Erstellung des Konzepts. Dazu gab es Vorlagen von verschiedenen Institutionen, an denen wir uns orientieren konnten. Eine männliche und eine weibliche Person aus dem Kollegium erklärten sich dazu bereit, die Rolle der Kinderschutzbeauftragten zu übernehmen, und absolvierten im Laufe des Jahres einen entsprechenden Ausbildungsworkshop.
Parallel starteten im Frühjahr 2024 dreistündige, für alle Lehrenden verpflichtende Workshops an allen Musikschulstandorten, geleitet durch Mitarbeitende der Kinderschutzzentren Österreichs. In diesen Workshops wurde bewusst ohne den noch in Arbeit befindlichen Text gearbeitet. Ziel war vielmehr eine vom endgültigen Konzept in Schriftform zunächst unabhängige Sensibilisierung für das Thema. Auf diese Weise erhielt das Kollegium Einblicke in Fragen zum Kinderschutz und die Möglichkeit, sich mit eigenen Anliegen einzubringen. Besonders wichtig war, dass keine Ängste geschürt werden.
Für den Fachbereich Elementares Musizieren gab es einen eigenen Workshop, da sich aus dem Nähebedürfnis von Kindern im Vorschulalter besondere Themen ergeben. Dort wurden spezielle Situationen besprochen, z. B. das Trösten bei Konflikt­situationen in der Gruppe oder die manchmal notwendige Unterstützung beim Toilettengang.
Im Frühsommer 2024 lag dann eine erste Textfassung vor, die von verschiedenen Personen – auch von externen ExpertInnen – gegengelesen und nochmals überarbeitet wurde. Danach wurde das Layout konzeptioniert, welches uns sehr am Herzen lag. Gerade der erste Blick kann entscheidend dafür sein, ob das Schriftstück von Eltern, KollegInnen und SchülerInnen als ansprechend wahrgenommen und genauer betrachtet wird.

Ziele und Inhalte des Konzepts

An ein Kinderschutzkonzept werden viele unterschiedliche Erwartungen gestellt. In der Broschüre des Kinderschutzkonzepts, die sich primär an Eltern und SchülerInnen richtet, haben wir versucht, die Ziele in einer übersichtlichen Grafik abzubilden. Die Formulierungen – z. B. „Schutz der Schüler:innen“, „Enttabuisierung des Themas“, „Information und Handlungssicherheit“ – wurden so gewählt, dass sie positives Verhalten skizzieren, statt negative Beispiele anzuführen, damit mögliche Ängste nicht entstehen oder geschürt werden. Auch wollten wir kein überladenes Papier entwerfen, sondern ein handliches Format entwickeln, das klare Strukturen bietet.
Das Herzstück des Kinderschutzkonzepts bildet der Verhaltenskodex (siehe Abbildung), zu dem sich alle Lehrenden der Musikschulen Burgenland mit ihrer Unterschrift bekennen. Weitere Kapitel des Kinderschutzkonzepts widmen sich u. a. den speziellen Bedürfnissen junger SchülerInnen im Fachbereich Elementares Musizieren sowie dem Bereich der Medienkompetenz mit dem Bewusstsein für eine gute Balance zwischen Außenwirkung, Öffentlichkeitsarbeit und (Daten-)Schutz aller Personen, z. B. bei Veröffentlichungen von Fotos in Presseberichten und sozialen Medien. Wir, die Lehrenden der Musikschulen Burgenland, bemühen uns, gute Vorbilder im Umgang mit Mobiltelefonen im Unterricht und in den sozialen Medien zu sein.
Ein weiterer wichtiger Teil des Konzepts ist das Beschwerde- und Fallmanagement als Entlastungs- und Unterstützungsangebot für Betroffene. Diesbezüglich wurden klar strukturierte Richtlinien zur Vorgehensweise entwickelt, je nach Schweregrad des Verdachts oder Vorfalls. Grundsätzlich wird ermutigt, sich den Kinderschutzbeauftragten der Musikschulen Burgenland anzuvertrauen und mit ihnen in einem vertraulichen Gespräch weitere Schritte zu besprechen. Lehrpersonen sollen sensibel auf Fehlverhalten reagieren, sich gegenseitig in schwierigen Situationen unterstützen und bei unklaren Situationen Unterstützung annehmen. Sie werden aber aufgefordert, im Verdachtsfall Ruhe zu bewahren, selbst keine Nachforschungen zu betreiben oder gar ein Gespräch mit potenziellen TäterInnen zu führen. Stattdessen sollen sie sich ebenfalls mit Unterstützung der Kinderschutzbeauftragten an professionelle Stellen mit entsprechender Expertise wenden. Neben den beiden Kinderschutzbeauftragten der Musikschulen Burgenland finden sich im Anhang des Kinderschutzkonzepts Informationen zu externen Beratungsstellen.
Nicht zuletzt ist es ein Anliegen unseres Konzepts, unsere KollegInnen für die Wichtigkeit des Musikschulunterrichts im Leben der Kinder und ihre damit verbundene besondere Rolle als Lehrperson zu sensibilisieren. Der Einzelunterricht ist nach wie vor die zentrale Form unseres Unterrichtsalltags und bietet eine einzig­artige Situation in der Lebenswelt unserer SchülerInnen. Es entsteht meist eine langjährige, positive Lernbeziehung, die zugleich die Chance mit sich bringt, dass wir Veränderungen beim Kind bemerken und reagieren können. Verstärkt wird dies dadurch, dass sich SchülerInnen ihren LehrerInnen aufgrund der lang gewachsenen positiven Beziehung möglicherweise in Prob­lemfällen leichter anvertrauen.

Zum Schutz bekennen

Die Kommunikation des Konzepts wurde bewusst offensiv gestaltet. Zunächst wurde dem Kollegium das Ergebnis beim LehrerInnentag im September 2024 vorgestellt und der Prozess mit einem Impulsreferat und einer Arbeitsphase abgeschlossen. Als Zeichen der Bekenntnis zum Schutz mussten die Bediensteten der Musikschulen Burgenland im Lauf des Wintersemesters eine Strafregisterbescheinigung „Kinder- und Jugendfürsorge“ vorlegen und den Verhaltenskodex unterschreiben.
Im November 2024 wurde das Kinderschutzkonzept im Rahmen einer Presseaussendung seitens der Landesregierung der Öffentlichkeit präsentiert. Zusätzlich zur Langform des Kinderschutzkonzepts wurde eine Broschüre als optisch ansprechende Kurzform für die SchülerInnen und Eltern entwickelt. Die Eltern aller SchülerInnen der burgenländischen Musikschulen erhielten die Broschüre per E-Mail. Sie beinhaltet alle wichtigen Informationen in knapper Form und verweist mittels eines QR-Codes auf das vollständige Kinderschutzkonzept auf der Website der Musikschulen Burgenland.

* Das Pädagogische Forum ist die Plattform für den fachlichen Erfahrungs- und Ideenaustausch der Lehrenden. Es greift aktuelle Entwicklungen in der Pädagogik auf, regt zu neuen Themen an und bietet eine Umgebung für Reflexion und berufliche Weiterbildung.

www.musikschulwerk-bgld.at/fileadmin/user_upload/Kinderschutz/Broschuere/Kindschutzkonzept_Broschuere.pdf

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