Wächter, Edmund

Alle(s) unter einem Dach

Mit über 150 Jahren die älteste deutsche Musikervereinigung: der Deutsche Tonkünstlerverband e. V. (DTKV)

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 4/2017 , musikschule )) DIREKT, Seite 10

Bereits in seiner Gründungsphase Mitte des 19. Jahrhunderts verstand sich der Tonkünstlerverband als Selbsthilfegruppe von Musikerinnen und Musikern, um deren schwierige Lage solidarisch zu verbessern. Von Beginn an war klar, dass die Medaille zwei Seiten hat: Auf der einen Seite galt es, den Wert der komponierenden und ausübenden Musiker in der bürgerlichen Gesellschaft zu verdeutlichen und damit die Arbeitsbedingungen und sozialen Verhältnisse anzuheben. Hierzu gehörte schon damals die angemessene Bezahlung, die Sicherung im Krankheitsfall und im Alter wie auch der Hinterbliebenen und – nahezu revolutionär – der Schutz geistigen Eigentums. Selbstverständlich war auch der „Vater“ der GEMA, Richard Strauss, Mitglied im Tonkünstlerverband.

Auf der anderen Seite galt es, Musik – besonders der Zeitgenossen – aufzuführen, denn ohne Arbeit sind die besten Arbeitsbedingungen nutzlos. So gehörte zu den Gründungsinitiativen des „Berliner Tonkünstlervereins“ (gegr. 1844) ein Orchester der Mitglieder, das als Keimzelle der Berliner Philharmoniker gelten kann. Tonkünstlerfeste, Konzertreihen mit neuer Musik und musikalische Veranstaltungen außerhalb des Mainstreams gehören bis heute zu den Aktivitäten des DTKV. Der Musikfonds des Bundes zur Förderung zeitgenössischer Musik (www.musikfonds.de), der dieses Jahr erstmalig Fördergelder bereitstellt, entspricht einer langjährigen Forderung des DTKV, der zu den Gründungsmitgliedern gehört und auch im Kurato­rium vertreten ist.
Nach dem Berliner Vorbild etablierten sich in kurzer Folge ähnliche Zusammenschlüs­se von Musikern in München, Köln, Leipzig, Dresden und Hamburg. Ein „Allgemeiner Deutscher Musikverein“ wurde 1861 von Musikern um Franz Liszt ins Leben gerufen. 1874 schlossen sich die Organisationen aus Berlin, Hamburg, Leipzig und München zum „Verband Deutscher Tonkünstlervereine“ zusammen, der seither unter variierenden Namen – mit Ausnahme der Jahre 1933 bis 1945 – das deutsche Musikleben mitgestaltet. 1920 trat der „Musikpädagogische Verband“ (gegr. 1903) dem „Zentralverband deutscher Tonkünstler“ bei, womit auch die musikalische Nach­­wuchsförderung zu einer Hauptaufgabe des Tonkünstlerverbands wurde, die sich z. B. im 1964 ins Leben gerufenen Wett­bewerb „Jugend mu­siziert“ manifestiert.

Schon einiges erreicht

Die geringe Wertschätzung und die damit einhergehende geringe Honorierung von Instrumental- und VokalpädagogInnen wie auch von ausübenden Musikerinnen und Musikern ist bis heute ein leidiges Thema: von unzureichend dotierten Honorarverträ­gen an Musikschulen und künst­lerischen Lehraufträgen an Hochschulen und Universitäten bis zu freiberuflichen Musik­pädagogInnen, die sich gegen die Dumping­preise einer häufig unqualifizierten Konkurrenz erwehren müssen. Der Beruf des Musikers und Musikpädagogen ist trotz vieler politischer und juristischer Vorstöße leider nicht geschützt.
Dennoch wurde schon einiges erreicht: die Befreiung von der Umsatzsteuer für qualifizierte PädagogInnen und konzertierende Künstlerinnen und Künstler sowie die Einrichtung der Künstlersozialkasse, bei der der DTKV mitgewirkt und deren Fortbestand durch eine Petition gesichert hat.
Eine staatliche Förderung für private Musikinstitute und freiberufliche MusikpädagogInnen, wie sie in Bayern erwirkt wurde, könnte als Modell für die anderen Bundesländer dienen. Honorarmindeststandards, nach Vorschlag der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) für ausübende Musiker, sollten als Untergrenze bei Honorarvereinbarungen dienen und auch für Veranstalter selbstverständlich sein. Besonders eine öffentliche oder gemeinnützige Förderung müsste grundsätzlich an eine angemessene Honorarzahlung gekoppelt sein.

9000 Einzelmitglieder

Bereits in den ersten Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs formierten sich wieder Tonkünstler, um Konzerte zu veranstalten und Musikunterricht zu organisieren. Orts- und Landesverbände wurden in der Bundesrepublik (wieder-)gegründet und schließlich 1951 die „Vereinigung der Landesverbände Deutscher Tonkünstler und Musiklehrer“, ab 1964 „Verband deutscher Tonkünstler und Musikerzieher“, 1993 umbenannt in „Deutscher Tonkünstlerverband“. 1991 kamen die neuen Bundesländer hinzu. Damit war die heutige Struktur des DTKV geschaffen, der knapp 9000 Einzelmitglieder aus allen Musikberufen vertritt: vor allem Komponistinnen und Komponisten, ausübende Musikerinnen und Musiker verschiedener Sparten sowie MusikpädagogInnen, aber auch Musikwissenschaftler, Musikalienhändler, Instrumenten­bauer, Tontechniker und Veranstalter. Unter dem Dach des DTKV agieren in den 16 Bundesländern eigenständige Landesverbän­de. Die größeren sind regional in selbstständige Vereine oder Dependancen des jeweiligen Landesverbands untergliedert.

Aufgaben und Ziele des DTKV

Die Aufgaben des Bundesverbands liegen in der kultur- und arbeitspolitischen Interessenvertretung gegenüber parlamentarischen Gremien, Ministerien und anderen Institutionen. Durch die Mitarbeit in den Ausschüssen des Deutschen Musikrats und des Deutschen Kulturrats, durch einen Sitz im Beirat der Künstlersozialkasse (KSK) und durch Schulterschluss mit andern Interessen- und Berufsverbänden konnten schon grundlegende Verbesserungen vor allem für freiberufliche MusikerInnen und MusikpädagogInnen erzielt werden, auch wenn es noch viel zu tun gibt. Beispielsweise müsste sich die Rente, die sich aus der KSK-Mitgliedschaft ergibt, an den Bruttoeinnahmen orientieren, um nicht in die Altersarmut zu führen. Die Unwägbarkeiten, die sich aus Freihandelsabkommen ergeben, müssen eingeschätzt und Nachteile vermieden werden. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse müssen verbessert wer­den, jedoch mit Augenmaß, um sie nicht überhaupt zu gefährden. Scheinselbstständigkeit hängt als Damok­lesschwert über vielen dieser Tätigkeiten.
Honorare für qualifizierten privaten Musikunterricht oder für ausübende Musiker müssen ein angemessenes Auskommen ermöglichen und auch den Mehrbedarf von MusikerInnen (Noten, Instrumente, Übe- und Unterrichtsraum etc.) abdecken. Als Abgrenzung gegenüber einer nicht quali­fizierten Billiglohn-Konkurrenz können regionale Honorarspiegel helfen, aber auch die ab 2021 nach EU-Recht verpflich­tende Zertifizierung als Voraussetzung für öffentliche Förderung. Bei der Ausgestaltung der Zertifikate wird sich der DTKV einbringen. Für Weiterbildungs- oder Umschulungsprämien durch die Agentur für Arbeit auch für KSK-Versicherte gibt es derzeit einen erfolgversprechenden Anlauf.

Leistungen für Mitglieder

Als Serviceangebot stehen den Mitgliedern Fachanwälte in Rechts- oder Steuerfragen zur Verfügung. Pauschalverträge mit der GEMA kommen Tonkünstlerveranstaltungen und Einzelmitgliedern zugute. KomponistInnen können ihre nicht verlegten Kammermusikwerke im Manuskriptarchiv der Öffentlichkeit zugänglich machen. Für freiberufliche MusikpädagogInnen stellt der DTKV Unterrichtsverträge zur Verfügung, um im Rahmen des rechtlich Mög­lichen soziale Sicherheit zu gewährleisten. Der DTKV berät in Fachfragen, vertritt seine Mitglieder gegenüber Behörden und Institutionen und erstellt Gutachten für Versicherungen, Gerichtsprozesse oder Existenzgründungsdarlehen. Eine Berufshaftpflichtversicherung ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
Den sich rasant wandelnden beruflichen Anforderungen trägt der DTKV mit Fortbildungsveranstaltungen Rechnung: Meisterkurse, pädagogische Fortbildung, allgemeine Kurse zu Musikmedizin, Körper­arbeit, Rechtsfragen, Vermittlung, Mana­gement… Auf Bundesebene gibt es eine Kooperation mit der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in Trossingen und seit 1969 findet jährlich die D-A-CH-Tagung statt, bei der der DTKV mit „Schwesterverbänden“ aus Österreich und der Schweiz zu ausgewählten Themen die Situation von MusikerInnen und MusikpädagogInnen im deutschsprachigen Raum diskutiert und Erfahrungen austauscht.
Kulturpolitik ist Ländersache. Hier sind vor allem die Landesverbände gefragt, die Mitgliederinteressen länderspezifisch zu vertreten durch Mitarbeit in den Landesmusikräten, Kontakt zu den Ministerien und Zusammenwirken mit anderen Musikverbänden auf Landesebene. Selbstverständlich bietet der Bundesverband auch hier seine Hilfen an und bemüht sich um einen Interessenausgleich. Aus gewachsenen Traditionen und regionalen Notwendigkeiten ergeben sich ganz natürlich unterschiedliche Gewichtungen und Arbeitsschwerpunkte. Die Delegiertenversammlungen und Länderkonferenzen dienen der verbandsinternen Kommunikation.
In den größeren Landesverbänden übernehmen die regionalen Organisationen Aufgaben vor Ort wie Schülervermittlung, Schüler- und Lehrerkonzerte, Studiokonzerte für aktuelle Musik, in einigen Fällen die Durchführung des Regionalwettbewerbs „Jugend musiziert“, Öffentlichkeitsarbeit, Mitgliederberatung oder Akquise von Zuschüssen. Gerade hier gibt es spezielle Aktionen, die stark von den handelnden Personen geprägt sind.
In über 150 Jahren konnte die älteste deut­sche Musikervereinigung viel erreichen. Dennoch bleibt genügend Luft nach oben. Die Probleme und ihre Lösungen werden komplexer, neue Baustellen tun sich auf: Die Zukunft des DTKV ist gesichert.

Weitere Informationen über die Arbeit des DTKV unter www.dtkv.org