Herbst, Sebastian

Anerkennung von Musikschul(lehrend)en

Der Kommentar

Rubrik: Kommentar
erschienen in: üben & musizieren 5/2021 , Seite 33

Auch wenn sich schon viel getan hat: Die Diskussion um Festeinstellungen und leistungsgerechte Bezahlung von Lehrenden an Musikschulen bleibt ein wichtiges Thema. Die pandemiebedingten Einschränkungen haben dies noch einmal deutlich gezeigt und zugleich neue Probleme für Honorarlehrkräfte mit sich gebracht. Um etwas hinzuzuverdienen, haben manche eine nicht-künstlerische, selbstständige Tätigkeit aufgenommen. Aber im Fall einer zweiten selbstständigen, nicht-künstlerischen Tätigkeit mit einem regelmäßigen jährlichen Gewinn von mehr als 5400 Euro (= 450 Euro monatlich) entfiel der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz, sodass dieser vom geringen, überbrückenden Zuverdienst selbst gezahlt werden musste. Der Bundestag hat hier reagiert: Mit Wirkung ab 23. Juli 2021 wurde eine bis zum 31. Dezember 2021 befristete Erhöhung der Zuverdienstgrenze auf monatlich 1300 Euro beschlossen.
Die vergangenen eineinhalb Jahre haben KünstlerInnen (inkl. der Honorarlehrkräfte) vor eine große (nicht nur) finanzielle Herausforderung gestellt und damit auch erhebliche Auswirkungen auf das kulturelle Leben. „Die Pandemie hat uns […] vor Augen geführt, wie empfindlich die kulturellen Strukturen vielfach immer noch sind. Es ist daher wichtiger denn je, diese Kultur-Strukturen dauerhaft zu stärken. […] Kultur nach Kassenlage kommt für uns nicht in Frage“ (Pressemitteilung land.nrw, 12. Mai 2021), so Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Strukturen sieht Isabel Pfeiffer-Poensgen im neuen Kulturgesetzbuch des Landes NRW, dessen Regierungsentwurf vom nordrhein-westfälischen Landeskabinett am 11. Mai 2021 beschlossen wurde. Ziel ist es, das kulturelle Leben in NRW durch verbindliche Rahmensetzungen in Form der Bündelung aller rechtlichen Regelungen, die die Kultur betreffen, nachhaltig zu stärken. Damit möchte die Landesregierung auch für Musikschulen zusammenhängende Regelungen schaffen, wobei die kommunale Selbstverwaltung weiterhin berücksichtigt bleiben soll. Der Gesetzentwurf ist umfangreich und kann hier nicht in aller Ausführlichkeit dargestellt werden. In Bezug auf die Anstellung und Bezahlung von Lehrenden sind jedoch die dort enthaltenen Förderbedingungen für Musikschulen interessant, aus denen sich Hoffnung für Honorarlehrkräfte ergibt.
Nach § 43 sollen die von Gemeinden oder Gemeindeverbänden getragenen öffentlichen Musikschulen vom Land gefördert werden, „wenn diese ein auf Dauer, Umfang, inhaltliche Breite und fachlich-pädagogische Qualität angelegtes Angebot vorhalten, für jedermann zugänglich sind und die fachliche und wirtschaftliche Mitverantwortung der Gemeinde oder des Gemeindeverbands gewährleistet ist“. Öffentliche Musikschulen und Musikschulen in anderer Trägerschaft werden gefördert, wenn sie als „Anerkannte Musikschule in NRW“ nach § 45 zertifiziert sind. Für dieses Gütesiegel ist es erforderlich, dass sie folgende Voraussetzungen nach § 44 Absatz 2 erfüllen: Sie verfügen über ein umfassendes Angebot mit schulischem Konzept für eine durchgängige musikalische Bildungsbiografie, tragen mit Veranstaltungen bzw. Beiträgen zu kulturellen Veranstaltungen der Kommune bei, haben eine hauptberufliche Leitung mit abgeschlossenem musikalischen Fachstudium, können eine ordnungsgemäße Haushaltsplanung und Haushaltsführung vorlegen, haben Unterrichtsbedingungen sowie Gebühren-, Entgelt- und Vergütungsregelungen in entsprechenden Ordnungen festgelegt, bieten eine sozial verträgliche Gestaltung der Teilnehmerbeiträge oder Gebühren im Sinne der Zugänglichkeit für die gesamte Bevölkerung und beschäftigen in der Regel qualifizierte Lehrkräfte mit abgeschlossener musikalischer Fachausbildung und musikpädagogischer Qualifikation grundsätzlich sozialversicherungspflichtig sowie tarifgebunden und sorgen durch Fortbildungen der Lehrkräfte für Qualitätssicherung. Honorarkräfte dürfen hingegen nur in begründeten Ausnahmefällen beschäftigt werden, wobei sicherzustellen ist, dass die Höhe des Honorars mindestens an die Stundensätze der entsprechenden Tarifverträge angeglichen wird.
Auch wenn im Gesetzentwurf leider eine schwache „in der Regel“-Formulierung gewählt wird und über die angemessene tarifliche Eingruppierung zu diskutieren wäre, ist die geforderte Notwendigkeit von Festeinstellungen qualifizierter Lehrkräfte erfreulich. Die ver.di-Fachgruppe Musik sieht hier Chancen für Veränderungen und hat dazu vor der Anhörung im Landtag eine Postkartenaktion – „Aus dem Takt geraten! Kulturgesetzbuch NRW – Bringt es die Wende?“ – gestartet. Es besteht zumindest Hoffnung, dass nicht nur die Musikschulen als förderwürdig anerkannt werden, sondern auch ihre Lehrenden die Anerkennung bekommen, die sie verdienen.

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