Eisenberg, Alexandre J.

Arquichorinho

für Flöte und Gitarre

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2014
erschienen in: üben & musizieren 5/2014 , Seite 54

In diesem Jahr war Brasilien durch die Fußball-Weltmeisterschaft in Europa höchst präsent – was jedoch wissen, kennen wir eigentlich von brasilianischer Musik?! Natürlich denken wir gleich an Bossa Nova und Antônio Carlos Jobim, an rhythmisch „verflixt“ ausgetüftelte, hinreißende Kompositionen etwa von Heitor Villa-Lobos, vielleicht noch an den Schweizer Komponisten mit höchsten brasilianischen Ambitionen Ernst Widmer – aber Hand aufs Herz: Wie viel mehr wissen Sie, wenn es nicht gerade Ihr Spezialgebiet ist?!
Auf eine faszinierende Entdeckungsreise in die Welt der mitreißenden, genial vertrackten Rhythmen und überraschenden Melodiebildungen nimmt uns der brasilianische Komponist Alexandre J. Eisenberg mit: Sein Arquichorinho ist ein an den ­extrem virtuosen „choro“ angelehntes Vexierspiel der schillernden synkopierten Rhythmen. In einem rasanten Tempo entwickelt sich ein stark chromatisch geprägtes, dem europäischen Rondo wesensverwandtes Spiel zwischen thematisch klar gebundenen und ausnotierten, aber dennoch eher improvisatorisch wirkenden Abschnitten.
Gitarre und Flöte verstärken sich in den wesentlichen Schwerpunkten parallel, werden eng miteinander geführt. Die ungeheure Beweglichkeit der Flöte wird in diesem „Presto con grazia“ eindrucksvoll in allen Lagen gefordert und vor Ohren geführt, die Gitarre sowohl als harmoniegebendes wie auch melodisch flexibles Instrument im Geschwindrausch der Flöte gleichberechtigt an die Seite gestellt: Der 1966 in Rio de Janeiro geborene Eisenberg beherrscht selbst beide Instrumente, insbesondere die Flöte, und weiß, was er dem Instrumentalisten abverlangen kann. Und das ist eine Menge!
Komponiert wurde dieses Konzertstück ursprünglich 1997 im Auftrag der Associação Brasileira de Flautistas (ABRAF) als ein Pflichtstück des damals in Rio de Janeiro stattfindenden 2. Nationalen Flötenwettbewerbs. Einerseits sollte es die typische brasilianische Musikkultur widerspiegeln, andererseits wettbewerbsbedingt nicht zu lang sein. Natürlich soll ein Flötist daran sein Können zeigen, in diesem Fall seine virtuose Beherrschung des schnell ansprechenden Flötentons in allen Lagen, Fähigkeiten zum rhythmischen Akzentuieren, zur Melodiebildung im flirrenden Sechzehntelrausch, zur flexiblen Phrasierung, Artikulation…
Und Pflichtstücke für Wettbewerbe haben es in sich! Man denke an George Enescus berühmt-berüchtigtes Cantabile e Presto als Prüfungsstück für das Conservatoire de Paris, an François Bornes Fantaisie brillante sur Carmen etc. Nun, Eisenbergs Arquichorinho wäre auch für ­europäische Wettbewerbe ein dankbares Vortragsstück, genauso wie es natürlich bestens als Konzertrepertoire geeignet ist und hoffentlich bald in größerem Umfang die Programme versierter FlötistInnen bereichert! Und, bei aller virtuosen Vertracktheit der Komposi­tion: Es bereitet ein herrliches Vergnügen, dieses temperament­volle, lebenssprühende Stück zu üben und zu spielen!
Christina Humenberger