Jachmann, Jan
„Auf das Wie kommt es an“
Anselm Ernsts „Lehren und Lernen im Instrumentalunterricht“ als Startimpuls für die Professionalisierung der Instrumentalpädagogik
„Das Wie des Unterrichtens – die Unterrichtsmethodik als die Gesamtheit aller Lehrverfahren – kann man als den Angelpunkt der pädagogischen Professionalisierung bezeichnen. Auf das Wie kommt es an, wenn man sicher, erfolgreich, ökonomisch, systematisch und zielstrebig unterrichten will.“
Die Sätze stammen aus Lehren und Lernen im Instrumentalunterricht von Anselm Ernst aus dem Jahr 1991. Viele LeserInnen dürften das Buch mindestens vom Namen her kennen, da es für den Fachdiskurs der Instrumental- und Gesangspädagogik ein wesentlicher Startimpuls war. Ernst entwirft darin das erste umfassende didaktische Modell für Musizierunterricht im deutschsprachigen Raum. Hierzu schlüsselt er die Tätigkeit der Lehrperson aus didaktisch-methodischer Sicht auf: Welche Ziele können und sollten Instrumental- und GesangspädagogInnen setzen? Wie lassen sich diese kategorisieren? Wie kann man Unterrichtsinhalte sortieren und benennen? Wie lassen sich übliche methodische Herangehensweisen beschreiben und ordnen?
Ernsts Schrift hat bis heute Einfluss auf die instrumental- und gesangspädagogische Fachdiskussion: Zum einen werden viele der dort eingeführten Konzepte weiterhin als Grundlage für Planung und Reflexion von Unterricht herangezogen.1 Zum anderen war die Sichtweise des Buchs ein wichtiger Ausgangspunkt für produktive Kritik daran: Zahlreiche AutorInnen haben darauf hingewiesen, dass Ernst zu sehr auf die Lehrperson fokussiert sei und den Lernprozess der SchülerInnen aus dem Blick geraten ließe.2 Jene Kritik war ein wichtiger Auslöser für die Hinwendung zu schülerorientierten Perspektiven, die die Didaktik der Instrumental- und Gesangspädagogik bis heute prägen.
So zentral Anselm Ernsts Buch für die Instrumental- und Gesangspädagogik ist: Wenn ich es heute lese, klingen viele Formulierungen für mich wie aus einer fernen Zeit. Damit meine ich nicht so sehr den oft kritisierten Fokus auf die Lehrperson – es sind andere Worte, die mir fremd erscheinen. So auch die oben zitierte Annahme, Instrumental- und GesangspädagogInnen wollten (und sollten) „ökonomisch, systematisch und zielstrebig“ unterrichten. Wenn ich sie mit Studierenden diskutiere, führt die Wortwahl auch bei vielen von ihnen zu fragender Distanz: Muss guter Instrumental- und Gesangsunterricht notwendigerweise einer Systematik folgen? Müssen Lehrpersonen ihre Unterrichtsziele im Vornherein festsetzen und konsequent anstreben? Und was meint Ernst mit ökonomischem Unterrichten? Effizienz oder gar Ökonomie im wirtschaftlichen Sinne – also möglichst viel Unterricht fürs Geld? Der Text wirkt im anregenden Sinne fragwürdig. Warum hat der Autor ihn so verfasst und wie lässt er sich aus heutiger Zeit verstehen? Der folgende Versuch einer Antwort zeigt, dass die Lektüre des Buchs nicht nur aus didaktischer, sondern auch aus historischer Sicht spannend sein kann.
Meiner Auffassung nach erklärt sich Ernsts Darstellung auch aus zwei bisher eher selten diskutierten geschichtlichen Rahmenbedingungen. Zum einen veröffentlicht der Autor das Buch in einer Zeit, in der die Instrumental- und Gesangspädagogik sich als eigenständige akademische Disziplin etabliert. Musikhochschulen im deutschsprachigen Raum richten in dieser Zeit zunehmend entsprechende Professuren ein; die junge Fachrichtung steht vor der Aufgabe, sich aus akademischer Sicht als professionell zu erweisen. Ernst – 1983 auf die Professur für außerschulische Musikpädagogik der Musikhochschule Freiburg berufen – nimmt die Herausforderung an: Er entwirft ein Bild davon, wie Instrumental- und Gesangsunterricht aussehen müsste, um „professionell“ zu werden.3
1 u. a. Busch, Barbara/Metzger, Barbara: „Inhalte des Instrumentalunterrichts“, in: Busch, Barbara (Hg.): Grundwissen Instrumentalpädagogik. Ein Wegweiser für Studium und Beruf, Wiesbaden 2016, S. 233-241.
2 u. a. Mahlert, Ulrich: Wege zum Musizieren. Methoden im Instrumental- und Vokalunterricht, Mainz 2011, S. 36-40.
3 Die Darstellung in diesem Artikel beruht u. a. auf einem Gespräch mit Anselm Ernst am 11. Februar 2025.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2025.