© Nihad Nino Pusija

Eickholt, Alfred

Auf gutem Wege

Entwicklungen der Gitarre in den vergangenen vier Jahrzehnten

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2017 , Seite 06

Es gab wohl zu keiner Zeit mehr Liebhaber, Amateure und professionell ausgebildete Künst­le­rIn­nen und LehrerInnen der Gitarre als heute. Diese erfreuliche Entwicklung in der Breite geht mehr und mehr auch mit einer respektablen Niveau­steigerung in der Spitze einher. Alfred Eickholt beleuchtet Ursachen, Auswirkungen und mögliche Perspektiven dieser Veränderungen.

Vor einigen Wochen stellten zwei Studierende unserer Hochschule, die gerade ihren Bachelor-Abschluss gemacht hatten, ihre Debüt-CD als Gitarrenduo vor. Ein ehemaliger Kommilitone von mir, der mittlerweile sehr erfolgreich in der Popmusik konzertiert, war ebenfalls Besucher dieses Konzerts und äußerte sich anschließend begeistert: „Da bleibt ja kein Wunsch mehr offen“, fragte dann aber auch etwas verunsichert, ob das heutzutage „state of the art“ eines Bachelor-Abschlusses auf der Gitarre sei. Diese Begeben­heit könnte sich heute so oder ähnlich an vielen Orten, an denen die Gitarre eine besondere Förderung erfährt, zugetragen haben. Sicher sind die zwei erwähnten Künstler eher die Spitze des Eisbergs, aber die Äußerung meines Kollegen macht deutlich, wie viel sich in den vergangenen Jahrzehnten an handwerklicher und künstle­rischer Entwicklung bei der Gitarre getan hat.
Trotz des Aufwinds, den die Gitarre erlebt, hört man aber auch immer wieder zum Teil harsche Kritik an der Positionierung und Darstellung des Instruments in der Öffentlichkeit. Bemängelt werden die oft schwache künstlerische Präsentation, die mangelnde öffentliche Aufmerksamkeit, das Fehlen der „großen Konzerte“, die „Inzucht“ der Gitarrenfestivals oder Wettbewerbe oder die fehlenden Künstlerpersönlichkeiten des Instruments, das spätestens seit dem Tod von And­rés Segovia oder dem Rückzug von Julian Bream vom Podium von einem unaufhaltsamen Niedergang betroffen sei.
All diese Kritik ist in der Regel natürlich wesentlich differenzierter formuliert und an der ein oder anderen Stelle berechtigt. Meine folgenden Beobachtungen der vergangenen 40 Jahre werden bei noch so viel Bemühen um objektive Darstellung immer auch subjektive Eindrücke widerspiegeln und meine Einschätzung perspekti­vischer Gesichtspunkte des Instruments wird ebenso spekulativ bleiben. Trotzdem bin ich sicher, dass viele meiner Gedanken zu Entwicklungen und Aussichten der Gitarre von vielen meiner Zeitgenossen geteilt werden, auch wenn sie manchmal durch die Brille des Verbandsvorsitzenden der EGTA niedergeschrieben wurden.

Virtuosen, Popstars, Liedermacher

Die Gründe für den Aufschwung der Gitarre auf breiter Basis sind komplex. In erster Linie waren es jedoch Künst­ler wie Andrés Segovia, Julian Bream, Narciso Yepes, Siegfried Behrend, John Williams, die Romeros oder Konrad Ragossnig, die zur Popularität beigetragen haben. Zahllose Bands, die mit akusti­scher oder elektrisch verstärkter Gitarre auf­traten, waren zweifellos ebenso für das große Interesse verantwortlich. Und auch die Liedermacher-Szene, die in den 1960er Jahren entstand, hatte ihren Anteil an der wachsenden Aufmerksamkeit mit Künstlern wie Reinhard Mey, Hannes Wader, Franz Josef Degenhardt oder Werner Lämmerhirt, der wohl als einer der ersten deutschen Finger-Picking-Stars gelten darf. Nicht zuletzt wurde die Gitarre spätestens seit Woodstock oder Auftritten von Joan Baez oder Bob Dylan mit Protest und Aufbruch assoziiert, was bekannter­maßen besonders auf junge Menschen einen hohen Reiz ausübt.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2017.