Gliesche, Axel / Andrea Westphal / Hans Hendrik Wielgosz

„Balancieren, bis es kracht“

Sind wirklich nur die Schüler schwierig oder vielleicht auch die Lehrer? – Versuch einer Standortbestimmung

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 3/2014 , Seite 18

Axel Gliesche, Andrea Westphal und Hans Hendrik Wielgosz trafen sich über einen Zeitraum von drei Monaten wöchentlich zu einem einstündigen Gedankenaustausch über ihren Unterricht. Dabei sprachen sie auch viel über ihren Umgang mit auffälligen SchülerInnen. Die drei Lehrkräfte unterrichten an einer ländlichen Kreismusikschule.

Hans Hendrik Wielgosz: Wir haben uns in den vergangenen Wochen viel erzählt über unsere schwierigen Schüler, etwas über schwierige Eltern. Allein das Reden darüber, die gegenseitige Vergewisserung: „Ich weiß, wovon du sprichst“, empfand ich als produktiv für die Unterrichtswirklichkeit. Das, worüber Einigkeit erzielt ist, dass es schwierig ist, ist nicht mehr so schwierig. Es ist hand­hab­barer geworden. Die Vorstellung von „schwie­rig“ scheint damit etwas zu tun zu haben: diskursiv auflösbar oder nicht, gedanklich und praktisch handhabbar oder nicht.
Axel Gliesche: Wir enfernen uns damit von der Fragestellung nach einer schwierigen Per­son hin zu der nach schwierigen, nicht handhabbaren Verhaltensweisen. Zurecht: Es fällt mir schwer, einen Schüler „schwierig“ zu nen­nen, von dem ich ahne, dass er aus einer ande­ren Perspektive betrachtet oder aus der Perspektive eines anderen Lehrers eventuell gar nicht schwierig ist. Für mich ist etwas im Umgang mit dem Schüler nicht oder schwer hand­habbar, mehr kann ich über ihn nicht sagen.
Hans Hendrik Wielgosz: Dann würde ich das Thema noch weiter fassen: Wenn wir über schwierige Schüler reden, reden wir eigentlich von schwierigen Unterrichtssituationen, an denen gleichermaßen Schüler und Lehrer, im Hintergrund eventuell auch Eltern beteiligt sind. So ehrlich wollen wir sein: Wir reden über Unterrichtssituationen in unserer Wahrnehmung. Wir reden immer auch über uns.
Andrea Westphal: Wir sind uns ja auch einig darüber, dass vieles von dem, was manche Unterrichtssituationen schwierig macht, mit der Unübersichtlichkeit und „Unordnung“ unseres Berufsalltags zu tun hat. Wir haben einen Wegweiser, der heißt Lehrplan, aber er ist sozusagen außer Kraft: Wollte ich ihn konsequent anwenden auf meine Schülerinnen und Schüler, würde ich bei den meisten scheitern. Gab es diese Lehrplanwelt mal? Funktionierte sie?
Hans Hendrik Wielgosz: Es gibt diese Lehrplanwelt noch. Frankreich fällt mir ein.
Axel Gliesche: Die DDR war Lehrplanwelt.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2014.