Gembris, Heiner / Jonas Menze / Sebastian Herbst

Begabungsförderung im Landesjugendorchester

Erfahrungen und Lebenswege ehemaliger Orchestermitglieder

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Lit, Münster 2020
erschienen in: üben & musizieren 5/2021 , Seite 60

In Band 17 der Schriften des Ins­tituts für Begabungsforschung in der Musik wird eine Studie zur Nachhaltigkeit von Orchester-­Erfahrungen veröffentlicht. Vom Initiator Heiner Gembris erhält diese musikbiografische Verbleibstudie den schönen Begriff „Nachklang-Studie“. Was nehmen Menschen, die in jungen Jahren im Orchester gespielt haben, auf ihre weiteren musika­lischen und beruflichen Lebenswege mit? Das ist die zentrale Frage.
Es gibt die allgemeine Annahme, dass solche Erfahrungen, ähnlich wie jahrelanges Singen im Chor oder intensive Erlebnisse in der Elementaren Musikpädagogik, große Wirkungen auf das weitere Leben ausüben. Aber welche sind es wirklich? Bedauerlicherweise gibt es dazu nur wenige Studien. Das liegt vor allem daran, dass es schwierig ist, die entsprechende Klientel anzusprechen und zu befragen. Das 30-jährige Bestehen des Landesjugendorchesters Berlin bot eine gute Gelegenheit. Mit der Einladung zum Festkonzert an ehema­lige Mitglieder wurde ein Fragebogen mitgeschickt. Die Ergebnisse dieser Fragebogenaktion bilden die Grundlage der vorliegenden Studie.
Die wesentlichen Themen und Fragen betreffen die Bildungswege, Berufstätigkeiten, Lebensverhältnisse und Lebensqualität, die weitere musikalische Entwicklung, entsprechende Impulse, Schlüsselerlebnisse, soziale Kontakte, heutiges Musizieren und die Bedeutungszuschreibung der Musikrezeption sowie schließlich die musikalische Generativität, also die Weitergabe der eigenen Erfahrungen an nachfolgende Generationen. Viele Ergebnisse hat man geahnt und erwartet, aber nun hat man dazu faktenbasierte und differenzierte Angaben.
Die Struktur des Buchs, vor allem das detaillierte Inhaltsverzeichnis im Kapitel „Ergebnisse“, macht es leicht, in den verschiedenen Bereichen gezielt Informationen zu finden, für die man sich interessiert. Hilfreich für die Rezeption sind die Gedanken zum theoretischen Hintergrund auf wenigen Seiten sowie die ebenfalls kurz gehaltene „Zusammenfassung und Diskussion“.
Es bleibt die Frage der möglichen Verallgemeinerbarkeit. Die Studie reflektiert die punktuelle Selbsteinschätzung eines kleinen Teils der Ehemaligen eines spezifischen Orchesters. In dieser Spezifität liegt ihr hoher Wert, und damit klingt sie gleichzeitig wie ein Ruf nach weiteren Stu­dien zur Bedeutsamkeit und Nachhaltigkeit musikalischer Aktivitäten in frühen Lebensphasen.
Franz Niermann