MacAlindin, Paul

Bis der letzte Ton ­verklingt

Die Geschichte des irakischen Jugendorchesters

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Heyne, München 2017
erschienen in: üben & musizieren 4/2017 , Seite 51

Dass Dirigenten Bücher schreiben, ist nichts Besonderes. Dass es in diesen Büchern um die einzigartige Zusammenarbeit mit ei­nem bestimmten Orchester geht, auch nicht. Das Buch des Dirigenten Paul MacAlindin ist aber dennoch eine Ausnahmeerscheinung, denn es handelt vom Aufbau und der Arbeit mit dem ersten nationalen Jugendorchester des Irak.
MacAlindin ist Schotte, war lange Assistent von Sir Peter Maxwell Davies beim Scottish Chamber Orchestra, dem BBC Philharmonic und beim Royal Philharmonic. Er leitete Orchester wie die New Zealand Symphony, die Tonhalle Düsseldorf und das National Youth Orchestra of Scotland. Wie kam es also, dass er zum Mitbegründer eines Jugendorchesters in einem kriegs- und krisenerschütterten Land wie dem Irak wurde?
MacAlindin saß im Oktober 2008 bei Bier und Fish’n’Chips im Pub und las den Glasgow Herald, als ihm die Anzeige der damals 17-jährigen irakischen Pianistin Zuhal Sultan ins Auge stach: „Bri­tischer Maestro für Orchestergründung im Irak gesucht.“ In seiner Erzählung wird dies zu einem schicksalhaften Moment stilisiert. Bereits einen Monat später führten Zuhal Sultan und Paul MacAlindin erstmals ein Gespräch via Skype und begründeten damit ihre Zusammenarbeit. Nur ein Jahr danach reiste Mac­Alindin für das erste vierzehntägige Musikcamp nach Sulaimaniyya, in den kurdischen Teil des Irak. Die MusikerInnen wurden zuvor über Skype ausgewählt oder durch Aufnahmen, die über das Internet verschickt wurden – keine Selbstverständlichkeit, wenn die Verbindung dauerhaft schlecht ist und immer wieder der Strom ausfällt.
Dennoch kommt eine spielfähige Truppe zusammen und das Projekt nimmt rasch Fahrt auf: 2011 wird das Jugendorchester zum Beethovenfest nach Bonn eingeladen, 2012 konzertiert es beim Edinburgh Festival und 2013 in Aix-en-Provence. Ein schöner Beweis dafür, was gemeinsames Musizieren bewirken kann, denn der Irakkrieg von 2003 ist schließ­lich an keinem der jungen Musiker spurlos vorbeigegangen.
All das klingt wie eine Erfolgsstory. Doch die Realität sieht anders aus: Bereits 2013 beginnt sich der IS im Irak auszubreiten. Obwohl das Buch also kein Happy End bereithält, ist es Ansporn und Mutmacher. Mehr noch: Es ist ein ehrliches Buch, was sich auch in MacAlindins mitunter flapsig bis derber Sprache zeigt: Da ist beispielsweise wenig beschönigend von einem „Haufen Kleinholz“ die Rede, wenn es um das Instrument des ersten Fagottisten geht.
Das Buch zeigt eine Jugendbewegung in einem Land, das im Westen unter Generalverdacht steht. Mit seinem Buch trägt Paul MacAlindin dazu bei, dass eine breite Öffentlichkeit von die­sen jungen Menschen erfährt. Es ist „den mutigen jungen Musikern des Irak“ gewidmet.
Desiree Mayer