Ishizuka, Shinichi
Blue Giant Supreme 1
„Jetzt weiß ich endlich auch, warum immer wieder japanische Touristen in meiner Bar ein Foto mit mir machen wollen.“ Es wird nicht viele Menschen geben, die sich selbst überraschend in einem Comic wiederfinden – so wie Thomas Vogler, Betreiber der Jazzbar „Vogler“ in München, dessen Bar und Gesichtszüge im japanischen Manga Blue Giant Supreme von Shinichi Ishizuka porträtiert werden.
Mangas haben in Japan eine andere Bedeutung als Comics in der westlichen Welt. Sie sind tief verwurzelt in der japanischen Kultur und ein Spiegel des Alltagslebens sowie gesellschaftlicher Verhältnisse und Entwicklungen. Die Geschichte eines jungen Jazzsaxofonisten in einem Comic wiederzugeben, mag hierzulande eher ungewöhnlich anmuten. In Japan hingegen ist die Manga-Serie Blue Giant, welche die Erfolgsgeschichte des Jazzsaxofonisten Dai Miyamoto erzählt, preisgekrönt.
Der erste Band der Fortsetzung Blue Giant Supreme ist nun in deutscher Übersetzung erschienen. Nachdem Dai in seinem Heimatland Japan seinen großen Traum, ein erfolgreicher Jazzsaxofonist zu werden, erreicht hat, bricht er nach Europa auf und landet in München.
Shinichi Ishizukas Zeichenstil ist eher traditionell, begeistert jedoch mit einer unglaublichen Liebe zum Detail. Immer wieder sorgen ganz- oder gar doppelseitige Bilder für Ruhe – jedes einzelne ein kleines Kunstwerk in der Ausarbeitung. „Es ist erstaunlich, wie korrekt detailliert die Zeichnungen sind (Pflastersteine vor der Tür, die Kugeln am Schild, das Logo der Brauerei etc.)“, bestätigt Thomas Vogler auf seiner Website die Treffsicherheit des japanischen Zeichners.
Unsere klassische Musikkultur hat in Asien einen hohen Stellenwert und für viele Musikstudierende aus Asien ist es ein erstrebenswertes Ziel, an einer deutschen oder österreichischen Hochschule zu studieren. Bei diesem Zusammentreffen asiatischer und europäischer Kultu r(en) wird es nicht immer reibungslos zugehen. Blue Giant Supreme gibt einen spannenden Einblick, mit welchen Erwartungen und Vorstellungen Dai in München eintrifft – und mit welchen Vorurteilen er konfrontiert wird. Der japanische Blick auf Deutschland hält uns einen interessanten Spiegel vor. Und beseelt von dem nicht zu brechenden Willen, sich in München, in Deutschland, ja in ganz Europa seinen Platz an der Spitze der Jazzszene zu erobern – eine Charaktereigenschaft, die wir Europäer womöglich als „typisch asiatisch“ bezeichnen würden –, kämpft Dai um einen ersten Gig in einer Jazzkneipe, um sich als Künstler einen Namen zu machen und seine Vorstellung von Jazz zu präsentieren.
In Japan ist die Serie Blue Giant Supreme bereits auf zehn Bände angewachsen. Ob sich auch in Deutschland ein manga- und musikbegeistertes Publikum findet, um nach dem Eröffnungsband Dai Miyamotos Weg zum Ruhm (?) zu folgen, wird sich zeigen. Den wunderschönen Zeichnungen Shinichi Ishizukas wäre es zu wünschen.
Rüdiger Behschnitt