Ravel, Maurice / Thomas Stapf (Bearb.)

Boléro

für sinfonisches Orchester, Partitur und Stimmenheft

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Musikverlag Andrea Wiegand, Tutzing 2008
erschienen in: üben & musizieren 2/2009 , Seite 63

Der Musikverlag Andrea Wiegand hat sich darauf spezialisiert, für Laienorchester spielbare Bearbeitungen bekannter Werke der Orchesterliteratur herauszugeben. Die Bearbeitungen sollen dabei formal so nahe wie möglich am Original bleiben und auch dessen Klangeindruck vermitteln. Kann dies auch mit dem klangfarblich äußerst differenziert komponierten Boléro von Maurice Ravel gelingen?
Thomas Stapfs Aufgabe ist zunächst die Reduktion der umfangreichen Besetzung. Welches Schülerorchester besitzt eine Oboe d’amore oder eine hohe Klarinette? Mitunter fehlt auch ein Fagott oder Horn, und ein Sopranino-Saxofon wird trotz vieler Bläserklassen auch nicht leicht zu beschaffen sein. Verzichtet werden muss auch auf Celesta und Harfe, die aber durch Glockenspiel und Klavier ersetzt werden können.
Stapf löst das Problem der Instrumentenvielfalt, indem er nur vier variabel zu besetzende Holzbläser- und Blechbläserparts vorsieht, die durch die Hauptinstrumente der jeweiligen Gruppen besetzt werden können. Durch diese notwendigen Beschränkungen wird das 340 Takte umfassende Original auf 196 Takte gekürzt, was eine Art Schnelldurchlauf ergibt. Die Spieldauer liegt bei ca. neun Minuten.
Weitere gravierende Eingriffe in die Substanz der Komposition sind nicht notwendig, da die Themen spieltechnisch – gute Bläser und Cellisten vorausgesetzt – zu bewältigen sind. Nur bei der Klangfülle müssen noch Abstriche gemacht werden. Die Streicherparts werden nicht geteilt. Die 2. Violine ist stark vereinfacht und verstärkt die Hälfte der Zeit die Harmonik mit allerdings ermüdenden Tonrepetitionen im Bolero-Rhythmus. Vielleicht hätte der Bearbeiter durch alternative Versionen (im Stimmheft) einigen Stellen mehr Klangfülle verleihen und die Anforderungen an die Streicher etwas vergrößern können, denn man vermisst eine Entsprechung zum fülligen Streicherklang ab Ziffer 13 des Originals.
Der Boléro ist ein anspruchsvolles Werk, an dem ein Orchester lange zu arbeiten hat, aber auch wachsen kann. Ohne absolute rhythmische Stabilität und ein Höchstmaß an Konzentration – nicht nur den Spieler der kleinen Trommel betreffend! – kann er nicht gelingen. Besonders bei der Verdopplung und Parallelführung verschiedener Bläserstimmen kommt noch intensive Arbeit an der Intonation hinzu.
Hilfreich sind die genau bezeichneten Stimmen, die aus dem Stimmheft heraus in beliebiger Zahl kopiert werden dürfen. Praktisch wären noch Zusatzstimmen in C für die hohen Blechbläser und eine Saxofonstimme. Hervorzuheben ist das ausgezeichnete Druckbild von Partitur und Stimmheft.
Da die Wirkung des Boléros entschieden von den Instrumentalfarben abhängt, wirkt die Bearbeitung doch etwas rudimentär. Sie kann aber gute Dienste leisten, wenn man z. B. eine praktische Instrumentenkunde durchführen möchte.
Heribert Haase