Busch, Adolf

Capriccio

für Violine und Klavier BoO 11, hg. von Felix Treiber

Rubrik: Noten
Verlag/Label: edition 49, Ettlingen 2008
erschienen in: üben & musizieren 1/2009 , Seite 63

Komponiert haben sie alle, die großen Virtuosen vergangener Zeiten. Bis zur Wende zum 20. Jahrhundert war es schlicht eine Selbstverständlichkeit, dass Instrumentalisten auch auf tonschöpferischem Gebiet ausgebildet, tätig und anerkannt waren. Adolf Busch, geboren 1891 in Siegen, war einer der bedeutendsten Geiger der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als Solist wie als Kammermusiker gleichermaßen vollendet und anerkannt, eine Musikerpersönlichkeit von seltener Universalität. Zahlreiche seiner Aufnahmen zählen zu den absoluten Klassikern historischer Platteneinspielungen. Darunter sind Streichquartette von Beethoven und Schubert, Sonaten von Beethoven, Bach, Mozart, Schumann, eine fabelhafte Darstellung der Fantasie von Schubert im Duo mit Rudolf Serkin, Violinkonzerte von Bach bis Busoni.
So geradlinig und konsequent wie der Musiker war auch der Mensch. Unvergessen bleibt seine sofortige, kompromisslose Absage an die Annäherungsversuche der Nazis, seine unmissverständliche Parteinahme für Anstand, Moral und menschliche Würde und gegen die braune Pest. Lieber wählte er das Exil, als sich opportunistisch zu verbiegen, eine Haltung, mit der er sich von manch anderen Berühmtheiten der Zunft abhob.
Der Ruhm als Interpret hält an, in Vergessenheit geraten ist, dass Busch auch ein umfangreiches kompositorisches Œuvre hinterließ – darunter mehrere Sinfonien, aber vor allem Kammermusik. Der bei Karlsruhe beheimatete Musikverlag edition 49 und der Geiger Felix Treiber haben es unternommen, das Gesamtwerk Buschs zum ersten Male sukzessive herauszugeben und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die meisten von Buschs Kompositionen blieben bisher ungedruckt und waren nur als Handschriftkopien in Archiven einsehbar.
Auch für den Rezensenten ist dies die erste Begegnung mit dem Komponisten Adolf Busch. Um es vorwegzunehmen: Die beiden vorliegenden Werke machen neugierig auf mehr Busch. Der Mann konnte komponieren, und zwar sehr gut. Interessant wäre es zu wissen, wann die Stücke entstanden sind. In beiden Fällen fehlt ein entsprechender Hinweis in der Notenausgabe, aber vielleicht lässt sich das ja gar nicht mehr so genau bestimmen. Immerhin kann man den Zeitrahmen eingrenzen, frühestens um 1920, spätestens Anfang der 50er Jahre.
Die dreisätzige Sonate B-Dur für Violine allein op. 50a belegt die Aussagen des Vorworts. Sie zeugt „von einer souveränen Beherrschung aller kompositorischen Mittel, oftmals in Gestalt einer kunstvollen kontrapunktischen Satzweise“. Den Grundcharakter könnte man als heiter, spielerisch, auch draufgängerisch beschreiben, die Tonsprache erinnert stark an Buschs persönlichen Freund und kompositorischen Übervater Max Reger, wirkt im Vergleich ein wenig schlanker, aber auch konventioneller.
Die Sonate ist formal recht traditionell angelegt und beginnt mit einem Allegro assai e con spirito in groß angelegter Sonatenhauptsatzform. Das erste Thema gibt sich launisch kapriziös, das zweite (interessanterweise in d-Moll bzw. in der Reprise in g-Moll) sanglich-expressiv. Der zweite Satz, Variationen in d-Moll, erscheint mir als der interessanteste des Werks, ein Stück emotionaler Dichte und von großer Expressivität, in dem der Bezug zum Werk Bachs und hier insbesondere zur Ciaccona deutlich wird. Die Sonate schließt mit einem Allegro giocoso, in Laune und Duktus sehr ähnlich dem ersten Satz und ebenfalls in Sonatenhauptsatzform. Sie ist, wie bei einem Geiger dieses Kalibers nicht anders zu erwarten, durchaus von virtuosem Anspruch, im Vergleich zu manchen der Solowerke Regers jedoch weniger exzessiv mit Akkorden, Doppelgriffpassagen und chromatischen Durchgängen gepanzert.
Sehr viel kürzer, schlichter und ganz in der Nachfolge brahmsscher Intermezzi gehalten ist das Capriccio in a-Moll BoO 11. Formal dreiteilig (A-B-A) hebt es an mit einer langgezogenen Melodie von melancholischer Sanglichkeit, zu der der Komponist nach einem lebhafteren, in fis-Moll stehenden Mittelteil zurückkehrt.
Um Einwänden gleich vorweg zu begegnen: Natürlich ist diese streng konservative Musik angesichts ihrer Entstehungszeit – etwa zeitgleich komponieren Strawinsky, Bartók, Berg, Schönberg usw. – anachronistisch, natürlich haftet ihr angesichts der hörbaren Fixierung auf die Vorbilder Brahms und Reger ein eklektizistischer Zug an, natürlich sind dies keine Meisterwerke von epochaler Bedeutung. Nur können und sollen dies nicht die ausschließlichen Kriterien zur Beurteilung sein. Interessanterweise scheint in dieser Beziehung an Musik der ausgehenden Spätromantik ein besonders strenger Maßstab angelegt zu werden. Die Frage muss hier lauten: Steckt in der Musik Adolf Buschs genug Substanz und auch genug Eigenart, ist die Wieder-, eigentlich Neuentdeckung seiner Werke eine interessante Bereicherung des Repertoires? Die beiden jetzt vorgelegten Werke legen dies nahe und machen Appetit auf mehr.
Herwig Zack