Loesch, Heinz von (Hg.)

Carl Czerny

Komponist, Pianist, Pädagoge

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2010
erschienen in: üben & musizieren 3/2010 , Seite 57

Carl Czerny ist vor allem durch sein klavierpädagogisches Œuvre bekannt, das bis heute in der pianistischen Ausbildung eine zentrale Rolle spielt. Doch betätigte er sich über seine pädagogische Wirksamkeit hinaus auf vielen musikalischen Feldern – als Herausgeber von Werken Bachs, Scarlattis und Mozarts ebenso wie als Komponist zahlreicher Werke im „ernsten Stil“ und als Verfasser einer Kompo­sitionslehre. Anlässlich seines 150. Todestages im Jahr 2007 veranstaltete das Staatliche Ins­titut für Musikforschung in Berlin in Zusammenarbeit mit dem Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien ein Sympo­sium mit dem Ziel, die vielen Facetten seines Schaffens zu würdigen, seine Biografie neu zu beleuchten und die Rezeptionsgeschichte nachzuzeichnen. Heinz von Loesch hat die Beiträge dieses Syposiums nun in einem Sammelband herausgegeben.
Da das Archiv der Musikfreunde in Wien den Nachlass Czernys be­herbergt, wissen dessen Direktor und stellvertretende Direktorin, Otto Biba und Ingrid Fuchs, Wesentliches zur Persönlichkeit und Biografie Czernys mitzuteilen. Zwei Autoren befassen sich mit Czerny als Herausgeber äl­terer Musik. Vor allem Ullrich Scheideler gelingt es, die Fragestellungen, mit denen Czerny konfrontiert war, an klug ausgewählten Beispielen zu verdeutlichen. Man versteht die Überlegungen hinter Czernys Vortragsbezeichnungen und erhält indirekt auch Anregungen für den Umgang mit modernen Urtextausgaben, die alle in Rede stehenden Entscheidungen dem Interpreten überlassen.
Linde Großmann beleuchtet die Bedeutung Czernys in der gegenwärtigen Klavierpädagogik. Anhand von Lehrplänen und Prüfungsordnungen aus verschiedenen Ländern zeigt sie die nach wie vor zentrale Stellung Czernys für die technische Ausbildung auf. Ihre daran anschließenden Bemerkungen über die pädagogische Qualität und Vielseitigkeit der Etüden können neue Impulse für Unterricht und Studium geben und dazu beitragen, dass das Potenzial dieser Werke besser ausgeschöpft wird.
Besondere Würdigung erfährt der Komponist Czerny durch sechs Beiträge, die sich jeweils mit einer Gattung befassen. Hier geht es um ein weitgehend unbekanntes Œuvre, weil der größte Teil von Czernys Werken im „ernsten Stil“ nie veröffentlicht wurde. Ob Streichquartette, Sinfonien, Lieder oder Kirchenmusik: Die Autoren geben einen differenzierten Einblick in die Quellenlage, oft verbunden mit einer kritischen Würdigung der Kompositionen. Ergänzt wird der sehr lesenswerte Band durch Beiträge über das Wesen des „brillanten Stils“, über die Rezeption des Komponisten Czerny, über die lebenslange Freundschaft Franz Liszts mit seinem früheren Lehrer sowie über die Situation des Klavierbaus im damaligen Wien. Ein durchweg gelungenes, interessantes Buch, bei dem man lediglich kurze biografische Angaben zu den AutorInnen vermisst.
Sigrid Naumann