Mellich, Christine / Maren Barber

Charlottes musikalische Kreuzfahrt

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2009
erschienen in: üben & musizieren 6/2009 , Seite 55

Wie man einem kindlichen Publikum das vermitteln kann, was man klassische Musik nennt? Indem man zum Beispiel bebilderte Geschichten unter dem Titel “Charlottes musikalische Kreuzfahrt” als Buch veröffentlicht. Wer Charlotte ist? Ein kleines, märchenhaftes Elfenwesen mit Flügeln und goldenen Hörhörnern. Erfunden von der Autorin Christine Mellich und der Illustratorin Maren Barber ist Charlotte durchaus eine bekannte Figur. Die Kinderseiten des Magazins der Berliner Philharmoniker sind ihre vornehme Adresse.
Charlottes musikalische Kreuzfahrt spielt auf einem Schiff mit dem Namen Da Capo. Auf diesem Schiff befindet sich nicht nur ein Smutje, sondern vor allem logieren berühmte Komponisten aus verschiedenen Epochen in den Kajüten: Hildegard von Bingen und Georg Friedrich Händel; Joseph Haydn und Franz Schubert; Maurice Ravel und Hans Werner Henze. Insgesamt sind es 15 KomponistInnen.
Da kann sich denn Charlotte mittels ihrer Hörhörner mit musikalischen Geschichten vollsaugen. Sie tut dies ausgiebig; aber nicht durcheinander, sondern planvoll. Eben das zeichnet das Kinderbuch aus: dass es, bei aller Buntheit und Vielfalt, ein klares Ordnungsschema aufweist. Komponistenporträts, Anekdoten (z. B. Händels Pralinennaschsucht) und Erläuterungen musikalischer Fachbegriffe wechseln einander ab.
Am Ende jedes Komponistenporträts gibt es das, was von einem Kinderbuch zu erwarten ist: ein Rätsel, dessen Lösung man errät, wenn man zuvor das Mitgeteilte und das „Mini-Lexikon“ aufmerksam gelesen hat. Mangel an Informationen gibt es jedenfalls nicht. Mangel an Unterhaltung aber auch nicht. Dafür sorgen schon die vielen farbigen, unterschiedlich großen Bilder: Komponistenporträts, Kirchen, Musikinstrumente, Theatermaschinen und – ein kleines Kabinettstück – eine Reihe von Seemannsknoten, demonstriert von Kater Caruso. Die Illustrationen sind sorgfältig ausgeführt. Wenn etwa im Hildegard-von-Bingen-Kapitel Papst Gregor Noten (Neumen) aufschreibt, so ist das Bild im Duktus der Manesseschen Liederhandschrift gemalt; und wenn im Haydn-Kapitel der Stephansdom gezeigt wird, dann stimmen dessen Grundriss und Aufbau.
Das vorliegende (Bilder-)Buch über die Kunst der Musik entpuppt sich selbst fast als ein kleines Kunstwerk. Dabei kann dieses Buch in verschiedener Weise gelesen werden: als Ganzes, in Einzel-Artikeln, als Lexikon, als Rätselbuch, als Bilderbuch, als Konzertführer… Besseres lässt sich über ein Kinderbuch nicht sagen – und über die kleine Charlotte auch nicht.
Winfried Rösler