Malizia, Irene

Colori e multiforme

5 Stücke für Violine solo, mit aufsteigendem ­Schwierigkeitsgrad

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Doblinger, Wien 2015
erschienen in: üben & musizieren 3/2016 , Seite 54

Selten schreiben Komponisten ambitionierte Literatur für die jüngsten Musikerinnen und Musiker. Oft wirken die Stücke dann „leicht“ und in der Ausführung auf die begrenzten Fähigkeiten auch musikalisch reduziert. Anders die vorliegenden fünf Stücke für Solovioline der jungen italienischen Komponistin Irene Malizia. Auf Anregung ihrer ehemaligen Violinlehrerin, der renommierten Geigerin und Instrumentalpädagogin Veronica Kröner, schrieb sie diese beeindruckenden kleinen Piècen.
Schon beim ersten Aufschlagen erkennt man sofort die pädagogische Ambition: Die jungen Geigerinnen und Geiger sollen sich bereits in einem sehr frühen Ausbildungsstadium mit Spielweisen und Spieltechniken zeitgenössischer Musik auseinandersetzen. In sieben „Vorab-­Kapiteln“ erläutert Malizia zunächst die Themen Pizzicato mit der linken Hand, Flageoletttöne, glissando, col legno battando, suoni grattati und Mikrotonalität – alles Stichworte, die in der vorliegenden Intensität und Ausführlichkeit in der Regel zu einem deutlich späteren Zeitpunkt angesprochen werden.
In Vorübungen wird die Neugier der Jüngsten auf fremde Klänge, Verfremdungen und Geräusche genutzt. Nahezu jedes Thema hat dabei auch einen didaktischen Hintergrund: Glissandi und Mikrotonalität als Weg zur horizontalen Geschmeidigkeit auf dem Griffbrett, Bogendruckvariation als Weg zum klangsinnigen Spiel, Flageolette und Fingerpizzicati als Lösung der Hand vom Griffbrett.
Doch bei aller pädagogischen Absicht ist keineswegs „pädagogische Musik“ entstanden. Nach aufsteigendem Schwierigkeitsgrad in fünf Steigerungsstufen angelegt, ist bereits das erste Stück Scala magica ein vollwertiges kleines Klangspektakel, obwohl die kleinen GeigerInnen lediglich einfache Fingerfolgen in der ersten bis dritten Lage, einfache Doppelklänge und Grundstricharten beherrschen müssen. Der geschickte Einsatz neuer Techniken schafft unter Ausnutzung der dynamischen Bandbreite vom Piano zum Fortissimo eine reizvolle Klangarchitektur. Ähnlich angelegt sind die Stücke Im Kreis, Kontraste im Spiegel und Der Virtuose. Letzteres entfacht in dreieinhalb Minuten ein wahres Klangfeuerwerk. Den Höhepunkt bildet das bereits recht anspruchsvolle Sieben-Minuten-Stück Colori e multiforme mit einer kleinen Kadenz.
Jedem Stückchen sind die didaktischen Anforderungen, gegliedert in „normale“ und „spezielle“ Violintechniken, sorgsam vorangestellt. Bereichernd wirkt der wiederholte Einsatz des Körpers als reine Bewegungsgeste oder auch als Instrument mit Stimme oder Stampfen. Die kleinen Kompositionen sind ein gelungener Beitrag zum Heranführen unserer jüngsten Musikerinnen und Musiker an die zeitgenössische Musik und sollten häufig im Unterricht und bei Vorspielen erklingen.
Uwe Gäb