Seiffert, Henri
Concertino in der ersten Lage
für Violine und Klavier op. 24
Generationen von ViolinschülerInnen haben ihre ersten konzertanten Schritte auf das Podium mit den einschlägigen pädagogischen Konzerten von Küchler, Seitz, Rieding und Seiffert getan. Meist standen dafür die bekannten, jahrzehntelang unveränderten Drucke zur Verfügung. Nach und nach werden diese nun durch Ausgaben in angenehmem Druckbild und mit zeitgemäßer Umschlaggestaltung ersetzt.
Leider fehlen in der Neuausgabe nach wie vor biografische Angaben über den Komponisten (1866 – 1935?). Dieses Opus 24 stammt wohl von 1921 – laut flüchtiger Zahlennotiz hinter der Opusangabe. Als Violinpädagoge, der Wert auf eine umfassende musikalisch-ästhetische Erziehung mit der Vermittlung von Hintergrundwissen legt, frage ich mich, ob ein liebloser Neudruck von traditioneller „pädagogischer Musik“ nicht durch musikalisch hochwertigere Originalkompositionen ersetzt werden kann, die dem technischen und musikalischen Entwicklungsstand der jeweiligen Altersgruppen entsprechen. Davon findet man in den diversen Ausgaben der Verlage reichlich.
Zudem stellt sich die Frage, ob der allgemeine technische und rhythmische Anspruch dieser Komposition nicht eher einem späteren geigerischen Entwicklungsstand, der bereits Lagenspiel ermöglicht, entspricht. Wozu braucht man dann einen lieblosen Neudruck – von „Neuausgabe“ kann man wohl kaum sprechen – und dies ausgerechnet von einem Verlag mit musikpädagogischem Anspruch?
Da sich der Verlag nicht die Mühe machte, gebe ich hier die spärlichen Informationen, die eine nicht besonders ergiebige Internetrecherche über einen offenbar – möglicherweise zu Recht – vergessenen Komponisten erbrachter: Henri Seiffert war laut Heiratsurkunde von 1919 wohl Sohn des Komponisten August Seiffert (gest. 1894). Er tauchte zuletzt im Berliner Tonkünstlerkalender von 1936 auf. 1937 verliert sich seine Spur. Ein verbindliches Todesjahr ist wohl nicht bekannt. Die Zahl der hinterlassenen Kompositionen ist spärlich.
Das einsätzige Concertino – Allegro moderato – erfordert von den SpielerInnen eine sichere Bogentechnik mit Ganz- und Teilbogenstrichen, Saitenwechsel in Détaché und Legato mit wechselnden Bogentempi, in der linken Hand sicheres Akkordspiel in Dur und Moll sowie mit Septakkorden und Chromatik. Das Druckbild wirkt sehr gedrängt. Der Teiltitel „in der ersten Lage“ ist wohl als Option anzusehen. Etliche chromatische Stellen mit hochalterierter leerer Saite lassen sich besser in der halben Lage spielen oder erfordern ein gleitendes Ablangen des ersten Fingers bzw. Lagenspiel, insbesondere bei kantablen Passagen.
Für den modernen Geigenunterricht wirkt dieses Stück durchaus anachronistisch. Aus Sicht des Rezensenten ist dies eine Druckausgabe, die die Welt der Violinpädagogik nicht mehr braucht.
Uwe Gäb