Rieding, Oskar
Concerto for Violin and Piano op. 36 in D Major
Es mag violinpädagogische Puritaner geben, die die Schülerkonzerte Riedings oder Küchlers ablehnen: Muss es denn musikalische Dutzendware mit formalen Stereotypen, schwächlichen Melodien und ausrechenbaren Standardpassagen sein? Sollte man SchülerInnen nicht lieber doch nur echte und gute Musik geben?
Nun, dass man an diesen Stücken wirklich geigen lernen kann, ist evident, und selbst Theodor W. Adorno, der mit fiedelnden Musikanten bekanntlich seine Probleme hatte, meinte in Bezug auf dieses Repertoire: „In den aufgeblasenen Solopiècen geistert ein Stück Utopie: die Gebärde des Kindes, das eine Sekunde lang zum begleitenden Tremolo des Klaviers sich wie Kreisler fühlt, hat etwas von jener musikalischen Allmachtsphantasie, in der mitschwingt, Musik selber sei das Ganze, die Freiheit, das Absolute.“
Und wenn wir Oskar Riedings „Geniestreich“, das Schülerkonzert in h-Moll, jenes Stück, dessen Erwähnung bei jedem Schüler und Lehrer (buchstäblich auf der ganzen Welt) ein verzücktes Lächeln auslöst, genauer betrachten, dann stellen wir fest, dass Rieding dort Melodien gelungen sind, die Ohrwurmcharakter haben, und Passagen, die mitreißen. Und der Schüler kann sich nicht nur „wie Kreisler“ fühlen (wobei das Klavier als Orchesterersatz und „Kulissenschieber“ natürlich eine große Rolle spielt), dieses Stück zu musizieren erlaubt die Befriedigung psychischer Grundbedürfnisse und bietet an, Affekte und Gefühle auf vielfältige Weise zu modellieren.
„Rieding h-Moll“ ist in dem Maße, wie es über griffige Passagen und schnell erfassbare musikalische Partikel hinausgeht, singulär – andere Schülerkonzerte Riedings können in dieser Hinsicht nicht mithalten, auch jenes in D-Dur nicht, das Dowani in der bewährten „Dreitempo-Version“ vorlegt („Konzertversion“, um eine Vorstellung vom Stück zu bekommen; langsames Übetempo, mittelschnelles und Originaltempo, jeweils mit Klavierbegleitung; außerdem Unterteilung jedes Satzes in sinnvolle Übeabschnitte).
Aber dennoch blitzen jene Momente auf, von denen oben die Rede war: weniger im etwas bemühten Hauptthema des ersten Satzes, aber dann in dessen Moll-Mittelteil (Rieding verwendet dafür den Themenkopf), weiterhin im schlichten und schönen h-Moll-Andante und im schwungvollen 6/8-Ausklang des letzten Satzes.
Insofern ist die Dowani-Neuausgabe zu begrüßen und zu empfehlen: Auch bei diesem Stück kann sich ein Schüler „wie ein richtiger Geiger“ fühlen!
Peter Röbke