Losert, Martin (Hg.)

Contemporary Studies for Saxophone

mit CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: edition gravis, Brühl 2021
erschienen in: üben & musizieren 5/2022 , Seite 61

Auch wenn der Titel Contemporary Studies for Saxophone auf den ersten Blick etwas Anderes verheißt, handelt es sich hier um eine äußerst kreative Auswahl zeitgenössischer Kompositionen für Saxofon. Es ist eine Einladung, sich mit ungewohnten Spieltechniken und neuen Hörqualitäten vertraut zu machen, sich auf die Vielfalt der Gegenwartsmusik einzulassen. Martin Losert, gefragter Künstler und Lehrer, kennt sowohl die besonderen Anforderungen als ausübender Musiker als auch die pädagogischen Hintergründe, um zu einem sicheren und ausdrucksstarken Spiel zu gelangen. Hier hat er fünf Komponisten versammelt, die ganz eigene und intensive Klangperspektiven entwickeln.
Während Chatschatur Kanajan in seinem Stück Annexion den Schwerpunkt auf markante Motivarbeit und treibenden Puls legt, konzentriert sich Ulrich Krieger in Durchscheinend auf feine, zeitweise fragile Klangstrukturen, die Kriegers eigens kreierte Stilrichtung der „akustischen Elektronik“ greifbar machen. Lautpoesie und Sprachmusik sind die Arbeitsfelder von Harald Muenz, so übernimmt die Saxofonstimme in articolarsi ganz klar die Funktion der wortlosen musikalischen Artikulation durch Atmung.
Die traditionell anmutende Komposition bizarr.kristallin von Ludwig Nussbichler ist das einzige Stück mit Klavierbegleitung in dieser Sammlung. Behutsam wird der sinnlichen Seite des Rohrblattinstruments nachgespürt. Der Name Ton ist Programm in Stefan Streichs Klangwanderungen. Wenige Töne durchforschen den Raum, sie entfalten sich durch das Austasten der verschiedenen Register und die effektvolle Nutzung diverser Instrumentaltechniken.
Um den spezifischen Herausforderungen der zeitgenössischen Saxofonliteratur gewachsen zu sein, werden eine gewisse Spielfertigkeit und Stilsicherheit vorausgesetzt. Die bläserisch anspruchsvollen Stücke richten sich an fortgeschrittene SchülerInnen. Zur leichteren Fasslichkeit unbekannter Spielweisen und Klänge werden die wichtigsten Instrumentaltechniken und Notationsformen in einem Glossar zusammengefasst.
Ungemein erhellend sind die Werkeinführungen und Anleitungen zur Interpretation der einzelnen Stücke. Bemerkenswert ist auch, dass alle Komponisten sowohl über jahrelange künstlerische als auch pädagogische Erfahrung verfügen. Um zu demonstrieren, wie die Stücke klingen sollen, hat Martin Losert sie eingespielt. Es wirkt fast wie ein Überraschungseffekt, dass die Stücke im Heft und auf der CD in unterschiedlicher Reihenfolge stehen. Ein Inhaltsverzeichnis wäre wünschenswert.
Auch wenn die Erarbeitung dieser Stücke mehr Ausdauer und Eigeninitiative erfordert als die Auseinandersetzung mit traditionellem Material, so ist diese Anstrengung definitiv lohnenswert. Alle Kompositionen sind sehr abwechslungsreich gestaltet und bieten eine wertvolle Bereicherung im Saxofonrepertoire.
Juliane Bally