Ringhandt, Ute
Crashkurs Gehörbildung
Melodik – Harmonik – Rhythmus – Kadenz – Sequenz, mit MP3-CD
Das in der „Crashkurs“-Reihe bei Schott erschienene Buch ist für das Selbststudium und für Einzel- und Gruppenunterricht konzipiert und beginnt auf elementarem Niveau. Stets sind die Aufgaben und Übungen in einen musiktheoretischen Kontext eingebunden, sodass Übende auch verstehen und benennen lernen, was sie hörend erkennen sollen. So werden in den Kapiteln mit Intervallen und intervallorientierten Tonfolgen Informationen zu elementarer Formenlehre gegeben; die Beispiele sind nicht musikfern konstruiert, sondern entstammen bekanntem Liedgut oder komponierter Musik.
Der Band verweilt lange bei der Einstimmigkeit: Kirchentonarten mit ihren charakteristischen Stufen sowie melodische Bassmodelle werden behandelt und erklärt. Auch Dreiklänge, Dreiklangsfolgen und Septakkorde werden zunächst als melodische Modelle anhand passender Liedmelodien eingeführt. Auch das Rhythmuskapitel beginnt elementar: Es werden keine abstrakten Klopfübungen aneinandergereiht, sondern alle Übungen leiten sich aus einer lebendigen Sammlung von Liedern und Tänzen her. Der Lehrgang wechselt auf jeweils gleichem Niveau zwischen den Sachgebieten, sodass auch springend gelesen und geübt werden kann.
Leider liegt ein methodisches Manko darin, dass nach dem behutsamen und methodisch geschickten Vorgehen der ersten Kapitel Lerntempo und Informationsdichte bei Dreiklängen und Septakkorden dramatisch gesteigert werden: Sehr knapp werden Dreiklangsfolgen, Akkordumkehrungen, Septakkordtypen und Septakkordfortschreitungen, Kadenzen und Schlussformen, Funktionen, harmonischer Rahmensatz, Dreistimmigkeit mit Imitation und vierstimmiger Choralsatz behandelt – Letzterer auf einer einzigen Seite. Generalbassziffern werden ohne ausführliche Erklärung kurz angerissen. Hier wird fortgeschrittenes Wissen in Harmonielehre vorausgesetzt, und im Rückblick auf die Anfangskapitel stellt sich die Frage nach der Zielgruppe.
Bestechend ist die schier unerschöpfliche Menge von klingendem Übungsmaterial: Die beigelegte Daten-CD bietet zu allen 257 Notenbeispielen ein Klangbeispiel, dazu gibt es einen Anhang, der zu allen Kapiteln weitere Notenbeispiele zum Selbststudium enthält sowie eine große Anzahl von Höraufgaben für das Selbststudium, als Simulation eines Unterrichtsdiktats. Allerdings sind sämtliche Klangbeispiele vom einfachen modalen Cantus firmus bis zum romantischen Kunstlied mit einem Klaviersample ohne jede Dynamik und Agogik eingespielt, was beim Selbststudium vermutlich schnell zu Ermüdung führt.
Zum Titel ist zu sagen, dass Gehörbildung eine musikpädagogische Disziplin ist, die man nicht per „Crash“ erlernen kann, sondern nur durch langes, geduldiges und methodisch sinnvolles Üben. Bleibt zu hoffen, dass dies niemanden davon abhält, dieses nützliche und empfehlenswerte Büchlein einzusetzen.
Christoph Hempel