Wojnarowicz, Gernot

Crashkurs ­Orchestermusik

Werke – Interpreten – ­Spielstätten – Hintergründe

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2022
erschienen in: üben & musizieren 5/2022 , Seite 59

Der Titel des Buchs bezieht sich nicht allein auf Orchestermusik, sondern auf den gesamten Kontext der Konzertaufführung. In aller Kürze kommen die Instrumente und ihre Zusammenstellung sowie ihre Geschichte vor, ihre Aufstellung beim Konzert, die Funktion der DirigentInnen und auch der Veranstalter. Auch der Architektur von Konzerthäusern und ihrer Geschichte wird Raum gewährt, der Wandlung vom viereckigen Kasten (Wiener Kunstverein) zur dynamischen Architektur (Elbphilharmonie).
In seinem legeren Sprachduktus wendet sich der Autor an ein jüngeres Publikum, wenn es etwa um die „Stars in Mannheim“ geht. Jede Seite verfügt über Bilder, die den Kontext veranschaulichen. Ganz offensichtlich sollen auch interessierte HörerInnen, die vom Orchester und vom Live-Konzert selbst wenig wissen, angesprochen werden.
Die Orchestermusik selbst in ihrer historischen Entwicklung gerät jedoch teilweise unverhältnismäßig kurz, wenn es etwa um Barock geht – eine Epoche, die für die Entwicklung des Orchesters nicht so unbedeutend ist, in dem Buch aber nur einleitende Funktion besitzt. Erfreulich dagegen die Hervorhebung der Mannheimer Schule, die für die Entwicklung der Instrumentalmusik bekanntlich eine Schlüsselstellung innehat.
Natürlich ist der Autor bemüht, jene Werke zu präsentieren, die im Konzertsaal auch häufiger gespielt werden, und das ist sehr deutlich die musikalische Klassik um Haydn, Mozart und Beethoven. Damit verbunden ist aber auch, dass in Büchern wie diesen immer die gleichen Werke und Komponisten zur Sprache kommen. Erfreulich ist, dass Paul Dukas’ Zauberlehrling, Bernd Alois Zimmermann und Olivier Messiaen genannt werden. Wenn dies jedoch auf Kosten anderer Komponisten geht – etwa Claude Debussys, der überhaupt nicht zur Sprache kommt –, und generell das 20. Jahrhundert einzig mit Schostakowitsch mehrfach vertreten ist, dann gibt das doch zu denken.
Die kurzen Erläuterungen zu den Kompositionen wirken etwas uneinheitlich: poetisch und analytisch inspiriert bei Mahler, auf den visuellen Bezug reduziert hingegen bei Mussorgskys Bilder einer Ausstellung, die es dank der Instrumentation Ravels in das Buch geschafft haben. Interessant sicherlich die höhere ­Bewertung des symphonischen Schaffens Felix Mendelssohn Bartholdys, der ausgiebiger besprochen wird.
Ist auch das Buch nicht sonderlich originell hinsichtlich der ausgewählten Kompositionen, so erfüllt es doch gut die Funk­tion eines Einstiegs. Kurze Empfehlungen von Interpretationen und anderen Kompositionen vermitteln weitere Impulse. Onlinelinks ermöglichen den Down­load von Klangbeispielen. Und es mag eine geeignete Aufforderung für jene KlassikliebhaberInnen sein, die viel zuhause hören, aber den Gang in den Konzertsaal scheuen. Klassische Musik live zu erleben: Dazu fordert das Buch ganz gezielt auf.
Steffen Schmidt