Dittko, Alexandra
Das Cello clever bestückt
Auswertung der Testphase der Farb-Ton-Griff-Tabelle für Streichinstrumente
Für StreicherpädagogInnen stellt sich immer wieder die Frage, ob geklebte Bünde, Punkte, Sternchen oder Ähnliches in der Anfangsphase des Unterrichts – oder auch generell – hilfreich und sinnvoll sind. Die Meinungen gehen diesbezüglich sehr weit auseinander. Die Entwicklung der Farb-Ton-Griff-Tabelle durch Christiane von Savigny facht diese Diskussion aktuell wieder an.
Als Violoncellolehrerin habe ich die Prototypenphase der Grifftabelle in der Praxis beratend begleitet und möchte im Folgenden meine und die Erfahrungen meiner Schülerinnen und Schüler im Unterrichtsalltag speziell mit dem Modell „Clever“ zusammentragen. Die Tabellen „Clever“, „Quintessenz“, „Piano-Piano“ und „Piano-Piano Fino“ sind als wieder abziehbare Folientabellen erhältlich, während die Tabelle „Harmonie“ auf Fotokarton zum Aufhängen oder Platzieren auf dem Notenständer konzipiert ist.
Mir erschien „Clever“ als Folientabelle für das Griffbrett mit farbigen Punkten und Angabe der Notennamen für meine Unterrichtsart am besten geeignet. Angewendet habe ich sie im Anfängerunterricht bei Kindern und Erwachsenen sowie im Mittelstufenbereich. Mein Unterrichtsinstrument habe ich ebenfalls „clever“ bestückt und kann somit vieles unmittelbar an meinem Cello demonstrieren, z. B. Notenabstände, Intervalle, Griffarten usw., was auch das digitale Unterrichten erleichtert und erweitert. Das alleine hat oft schnellere, durchschlagendere und nachhaltigere Wirkung erzielt als verbales Erklären oder Demonstrieren auf dem „nackten“ Griffbrett. Das Visuelle wirkt unmittelbar und kann schnell intuitiv erfasst werden. Die Farb-Ton-Griff-Tabelle hat auch deshalb den German Innovation-Award 2020 in Gold bekommen.
Als wichtiges Argument für die Grifftabelle ist der Zeitfaktor zu nennen – das meiste geht schneller: Einstellen des Griffgefühls, Orientierung auf dem Griffbrett, Verbesserung der Intonation, Lernen und Zuordnen der Notennamen, beim Assistieren der Eltern bei jüngeren Schülerinnen und Schülern bleiben Diskussionen über Richtigkeit des Tons aus. Das zeitraubende Try-and-Error-System wird durch die visuelle Kontrolle unterbunden, die richtige Tonvorstellung stellt sich schneller ein. Das schont die Nerven aller am Lernprozess Beteiligten und fördert die Selbstständigkeit der Lernenden. Auch beim Einsatz im Gruppen- und Klassenunterricht unterstützt die Farb-Ton-Griff-Tabelle in allen Bereichen. Der schnellere Lernerfolg fördert die Motivation und die Freude am Spielen.
Die Tabelle „Clever“ folgt systematisch dem Prinzip „12 Töne = 12 Farben“. Sie wirkt optisch sehr lebendig, zu Anfang vielleicht auch verwirrend, was sich aber nach einer kurzen Eingewöhnungsphase gibt. Dass gleiche Töne die gleiche Farbe haben – höhere heller, tiefere dunkler getönt – und dass Flageoletttöne mit dickerer Umrandung markiert sind, hilft einen besseren Überblick über die Geografie des Griffbretts zu erlangen. Die Zuordnung der Töne zum Farbkreis und die schwarz-weiße Schrift mit Bezug zur Klaviertastatur erscheint mir für den Gebrauch im Cellounterricht allerdings an Informationen zu überfrachtet.
Haptisch wurde die Tabellen-Folie durchweg gut bewertet. Sie ist matt, ebenholzschwarz und bedeckt das ganze Griffbrett. Die zusätzliche Schutzschicht erhöht die Haltbarkeit: Die Tabelle auf meinem Unterrichtscello zeigt auch nach drei Jahren starker Beanspruchung keinerlei Gebrauchsspuren!
Argumente gegen den Einsatz von Markierungen auf dem Griffbrett allgemein kommen ebenso bei der Farb-Ton-Griff-Tabelle zum Tragen: Die Verführung, auf das Griffbrett zu schauen und damit die Haltung negativ zu beeinflussen, ist auch hier gegeben. Deshalb empfehle ich den Einsatz der Grifftabelle nur für eine zeitlich begrenzte Epoche unter genau definierten „Spielregeln“, z. B. „nur gucken, wenn die Ohren Fehler melden“. Meine Schüler nutzten „Clever“ in der Testphase ca. sechs bis neun Monate. Danach zeigte sich durchweg eine sichere Orientierung und bessere Intonation. Meist ist die Dauer der Nutzung bei jüngeren Schülerinnen und Schülern ohnehin durch den wachstumsbedingten Instrumentenwechsel begrenzt. Im Vergleich zu Klebepunkten oder Tesastreifen-Bünden bietet die Farb-Ton-Griff-Tabelle Haltbarkeit und Präzision.
Wichtig zu wissen ist, dass die Grifftabelle je nach Größe des Instruments bestellt wird. Hierzu wird die genaue Mensur (schwingende Saitenlänge) angegeben. Die Tabellen sind übrigens auch für Linkshänder-Instrumente erhältlich. Ein kreativer Umgang wie etwa nur Abschnitte der Tabelle z. B. für die Einführung der Daumenlage zu verwenden oder nur eine Oktave aufzubringen, erweitert die didaktischen Möglichkeiten. Aufgebracht wird die Folientabelle am besten vom Geigenbauer. Dies bringt in der Regel geringe Mehrkosten mit sich.
Insgesamt finde ich die Farb-Ton-Griff-Tabelle eine wunderbare Errungenschaft, die den Unterrichtsalltag enorm erleichtert. Man sollte als Pädagogin jedoch gut abwägen, für welche Schülerinnen und Schüler und wie lange der Einsatz sinnvoll ist. In jedem Fall sollten die Lernenden dem Hilfsmittel aufgeschlossen gegenüberstehen und wissen, dass auch für den Einsatz der Grifftabelle Geduld und Übung nötig sind. Meine Schülerinnen und Schüler haben die Farb-Ton-Griff-Tabelle durchweg als große Hilfe empfunden und begeistert aufgenommen.
Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 1/2021.