Schönherr, Christoph

Das ist zu leicht, das zu schwer!

Die Bedeutung des Arrangierens für das Musizieren mit heterogenen Gruppen

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 5/2014 , Seite 12

Passgenaue Arrangements können der Schlüssel für erfolgreiches Musizieren mit heterogenen Gruppen sein. In den seltensten Fällen findet sich ein Arrangement, das exakt zur Besetzung und zu den Spielfähigkeiten des Ensembles passt. Umso wichtiger wird es für die LeiterInnen von Musizier­gruppen im schulischen wie außerschulischen Bereich, Kompetenzen im Arran­gieren zu besitzen oder zu erwerben.

Eine sich rasant verändernde Arbeitswelt hat auf die Bildungspolitik durchgeschlagen. Die Folge war die Einführung der Ganztagsschule in ihren unterschiedlichen Ausprägungen. Die veränderten Zeitstrukturen in der allgemein bildenden Schule blieben wiederum nicht folgenlos für die außerschulischen Anbieter wie Musikschulen und PrivatmusiklehrerInnen. Um nicht nur noch in den späten Abendstunden und an den Wochenenden unterrichten zu können, heißt für die außerschulischen Anbieter das Gebot der Stunde eine Kooperation mit den allgemein bildenden Schulen. Diese Kooperation bedeutet für viele PrivatmusiklehrerInnen auch eine Veränderung des Arbeitsplatzes. Statt Einzel­unterricht und Kleingruppenunterricht mit homogenen Instrumentengruppen heißt die neue Herausforderung oft Großgruppe (mit manchmal über zwanzig SchülerInnen). Erschwerend kommt hinzu, dass die instrumentale Zusammensetzung der Musiziergruppen und die Leistungsstände der einzelnen SchülerInnen oft sehr heterogen sind. Eine Situation, mit der die SchulmusikerInnen schon seit Längerem umgehen müssen.
Spätestens seit den 1980er Jahren, in denen meist jüngere KollegInnen eine Abkehr von stark kunstwerkorientierten Konzepten vollzogen und mit ihren SchülerInnen wieder verstärkt musizierten, gewann das Arrangieren an Bedeutung. Einhergehend mit der Erkenntnis, dass der eigene aktive Umgang mit Musik, also Musizieren, Singen, sich zu Musik bewegen etc., die unterrichtliche Zentralachse bilden sollte, entstand die Notwendigkeit, Musizierangebote zu machen, bei denen fortgeschrittene SchülerInnen ebenso beteiligt werden können wie SchülerInnen, die keinen privaten Instrumentalunterricht genießen.1
Mit derart komplexen Aufgaben und Herausforderungen sind auch MusikschullehrerInnen mittlerweile immer häufiger konfrontiert. Während die Erkenntnis, dass der eigene aktive Umgang mit Musik eine besonders geeignete Zugangsform darstellt, von Privat- und MusikschullehrerInnen wohl nie in Frage gestellt wurde, so ist die Tatsache, dies auch in sehr heterogenen (Groß-)Gruppen zu ermöglichen, für viele Neuland, das manche nicht zu betreten wagen. Nicht ganz zu Unrecht, denn mit der Heterogenität geht Unter- und vor allem Überforderung einher, die nicht selten zu Motivations- und Disziplin­problemen führen.
Hier können passgenaue Spielvorlagen und Arrangements äußerst hilfreich sein. Das gilt für alle Stilbereiche der Musik. Im Rahmen dieses Beitrags werde ich in den folgenden Ausführungen den Fokus auf Arrangements im populären Bereich der Musik richten. Viele Überlegungen haben aber auch Relevanz für den klassischen Bereich. Um ein pass­genaues Arrangement erstellen zu können, müssen verschiedene Kenntnisse erworben werden, z. B.:
– von Merkmalen verschiedener Stilistiken
– von unterschiedlichen Satztechniken (z. B. Backing Line, Call & Response, Einwürfe, Bläserriffs, Close Harmony etc.)
– von den Möglichkeiten der Instrumentation (welche Instrumente lassen sich gut kombinieren, welche können durch welche am besten ersetzt werden etc.)
– von den spieltechnischen Möglichkeiten auf den einzelnen Instrumenten und den Schwierigkeiten, die Anfänger darauf haben
– von den bevorzugten Tonarten der einzelnen Instrumente.

Vom Lead Sheet zum Arrangement

Ich möchte zunächst zwei Arrangiertechniken vorstellen, die dazu geeignet sind, zu einer vorhandenen Melodie zusätzliche passgenaue Stimmen zu erfinden. Ausgangspunkt hierfür ist das Lead Sheet, also die Melodie (gegebenenfalls mit Text) und Akkordsymbole. Meist findet sich am Anfang des Notentextes noch ein Hinweis zur Stilistik (z. B. Swing oder Latin etc.). In der Regel wird man sich an diesem Hinweis orientieren, aber es gibt auch viele Melodien, die es erlauben, in mehreren Stilistiken bearbeitet zu werden.

1 vgl. hierzu: Christoph Schönherr: „Kann das Klassenmusizieren den Musikunterricht ersetzen?“, in: Hans-­Ulrich Schäfer-Lembeck (Hg.): Klassenmusizieren als Musikunterricht!? Theoretische Dimensionen unterrichtlicher Praxen, München 2005, S. 95 ff.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2014.