Widmaier, Martin

Das kleine Land

Alles für den Anfang am Klavier, Heft 1

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Litolff's/Peters, Frankfurt am Main 2005
erschienen in: üben & musizieren 6/2006 , Seite 70

Die vorliegende Klavierschule ist für Vor- und GrundschülerInnen konzipiert und eignet sich insbesondere (nicht ausdrücklich) für den Gruppenunterricht. Sie besticht schon durch die schlichte, übersichtliche Gestaltung: klare notenschriftliche Darstellungen, sparsame verbale Anweisungen, dezente Schwarz-Weiß-Zeichnungen. Auffällig ist die Verwendung vier verschiedener Notationsweisen, die entweder Zeichen der traditionellen Notation enthalten oder ihr nahezu vollständig entsprechen.
In der Regel wird in jedem Kapitel dieser „Materialsammlung“ ein im Einliniensystem notiertes Lied vorgestellt, rhythmisch auf kindgemäßen Texten, melodisch auf den ersten drei Stufen der Durtonleiter (Do-Re-Mi) basierend. Aus dem Liedmaterial werden Melodie-Bausteine (statt Notenköpfen steht d, r oder m) entwickelt, die dem formalen Erkunden der Lieder, dem Variieren, Improvisieren und dem sicheren Umgang mit relativen Solmisationssilben und Handzeichen dienen. „Späße für zwei Hände“ und Klavierstücke (beide traditionell notiert) erkunden verschiedene Formen des Zusammenspiels der Hände; „Zweifingergänge“ bzw. „Vierfingertänze“ trainieren prinzipielle Arbeitsweisen der Hände: Daumenüber- und -untersatz (legato, weiße Tasten, relativ in einem durchgehenden Liniensystem notiert) bzw. Unabhängigkeit und Stabilität der Finger 2 bis 5 (non-legato, chromatische Viertonfolgen, Fingersatznotation). Methodische Hinweise regen zu Sing-, Hör- und Bewegungsspielen an. Das Spektrum der Durtonarten, Rhythmen und Artikulationsweisen ist für den ersten Band ausreichend. Gleich zu Beginn wird taktweise wechselnd das Spiel im Legato und Staccato gefordert, was vielen AnfängerInnen schwer fällt.
Die Methode, mit der an das Notenlesen herangeführt wird, überzeugt: Einliniensystem und Notation der Zweifingergänge fördern das Relativlesen, Stufensilben, Handzeichen und die Arbeit am „Studiertisch“ das innere Hören. Die Notationsweisen der Vierfingergänge bzw. Melodie-Bausteine unterstützen das Visualisieren rhythmischer Einheiten. Das Notenmaterial bietet zudem viele Möglichkeiten zum Improvisieren, Variieren, Transponieren, Notieren und kammermusikalischen Spiel. Aufgrund des elementaren Charakters der Notationen sind die Kinder hier mit dem komplexen traditionellen Liniensystem nicht überfordert. Einfache Vortragszeichen (f, p) sucht man vergeblich (oder lässt sie eben von den Kindern finden…).
Martin Widmaier versteht es, musikalische und pianistische Elemente geschickt zu verbinden und die Balance zwischen einer Orientierung gebenden und Freiheit schaffenden Klavierschule zu halten, die selbst eingefleischte „Klavierschulmuffel“ überzeugen kann! Auf den zweiten Band darf man deshalb mit Recht gespannt sein. Unter www.edition-peters.de finden sich zu diesem Titel kostenlose Downloads von Audio- und Videoclips.
Anna-Elisabeth Wartner