Berg, Ivo I. / Freia Hoffmann (Hg.)

Das Lehren lernen

Instrumentalpädagogik auf dem Weg ins 20. Jahrhundert

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2022
erschienen in: üben & musizieren 3/2023 , Seite 57

Der Rückblick auf verschiedene Stationen der instrumental- und vokalpädagogischen Professionalisierungsgeschichte bildet den Kern der Publikation Das Lehren lernen. Zentral ist dabei das beginnende 20. Jahrhundert, das gleichermaßen signifikante musikalische wie musikpädagogische Entwicklungen in Gang setzte. Ist die musikalische Entwicklung dieser Zeit umfassend untersucht, so sind dagegen die zeitgleichen außerschulischen konzeptionellen Entwicklungen des Musiklehrens bisher wenig beforscht. Dieses Feld nun breit auszuleuchten und differenziert zu diskutieren, ist ein wertvoller Verdienst der fünfzehn AutorInnen der vorliegenden Schrift.
Der Band verfolgt den Anspruch, die Geschichte der Instrumental- und Vokalpädagogik möglichst umfassend, vielfältig und kulturgeschichtlich integrativ zu repräsentieren. Dabei löst sich der Blick von den prominenten Musikpädagogen und Reformern der Zeit – wie Leo Kestenberg – und betrachtet auch Ansätze und Positionierungen von wichtigen Fachvertreterinnen, die mit ihren Konzepten die Reformen des Lehrenlernens wirksam geprägt haben. In diesem Zusammenhang wird etwa Maria Leo als „Pionierin einer reformpädagogischen Instrumentallehrerinnenausbildung“ porträtiert und die innovative Klavierpädagogik Frieda Loebensteins vorgestellt.
Vor dem Hintergrund des eher problematischen Zustands von Instrumental- und Vokalunterricht in der damaligen Zeit arbeitet die Publikation im Blick auf die gesellschaftlichen Kontexte sowohl die Berufsbedingungen und Aufstiegshoffnungen der Lehrkräfte als auch die Ansätze der instrumental- und vokalpädagogischen Fachverständnisse auf. Die weiteren Themen – u. a. die zeitgenössischen Sichtweisen auf die Grundlagen des Musizierens und seiner Vermittlung, die Akademisierung des Fachs, die Prüfungsorganisation, Entwicklungen im Bereich des Privatmusikunterrichts, Unterrichtskonzepte einzelner Instrumente und PädagogInnen sowie die Relevanz von Instrumentalschulen – formen ein wichtiges Gesamtbild der damaligen Zeit.
Vier übergreifende Kapitel bündeln die Texte, die auf Vorträgen im Rahmen des Symposiums „Das Lehren lernen“ basieren, das im Oktober 2021 an der Universität der Künste Berlin in Kooperation mit der Internationalen Leo-Kestenberg-Gesellschaft sowie dem Sophie Drinker Institut Bremen stattfand.
Die vorliegende Publikation liefert anregende Impulse zu einer vertiefenden Auseinandersetzung mit der Entwicklungsgeschichte des Instrumental- und Vokalunterrichts. Das Buch unterstreicht die Notwendigkeit, die musikpädagogische Historie als differenziertes Gesamtgefüge wahrzunehmen. In diesem Sinne setzt Das Lehren lernen einen Auftakt für einen Weg, der im Weitergang die jeweiligen zeitgeschichtlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten kritisch reflektiert, um den komplexen Anforderungen der musikpädagogischen Gegenwart genügen zu können.
Anna Catharina Nimczik