Rheinberger, Josef Gabriel

Das Töchterlein des Jairus op. 32

Kantate für Kinder per Soli SSA, Coro SSA e Pianoforte

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Carus, Stuttgart 2012
erschienen in: üben & musizieren 4/2013 , Seite 63

„Die rührend einfache Composition wurde von den Knaben mit aller Herzensunschuld und Verachtung jedweder Sentimenta­lität correct und herzig gesungen.“ Fanny Rheinbergers Eindrücke (siehe Vorwort) über eine der Aufführungen der kleinen Kantate ihres Mannes Josef Gab­riel Rheinberger gibt uns heute noch einen klaren Hinweis auf einen Kern der Komposition: Das Töchterlein des Jairus ist eine im positiven Sinne herzensunschuldige, liebevoll an naive Malerei gemahnende Komposition, die einen gut strukturierten Kinder-, Knaben- oder auch Mädchenchor sehr ansprechen dürfte.
Die Kantate handelt von der biblischen Erzählung aus dem Markusevangelium, in der Jesus ein Mädchen heilen soll, das aber vor Jesus’ Ankunft bereits verstarb. Jesus holt die wehevoll Beklagte wieder ins Leben zurück. Der Text wurde in gereimten Versen auf Rollen auf­geteilt zu einem ­Libretto zusammengefasst. Die Musik des zu Lebzeiten sehr gefragten und geschätzten Rheinberger ist ganz im romantischen Stil seiner Zeit – sehr melodiös und eingängig, harmonisch im gänzlich unkomplizierten Klavierpart reizvoll gestützt und atmosphärisch untermalt.
Unabhängig von der für uns heute freilich ein wenig naiven Poesie des Textes werden viele Nummern sehr schnell zu Lieblingsliedern beim Proben avancieren; die versierte Chorleiterin wird über Taktmuster und Harmonik exemplarische Grundfiguren der musikalischen Rhetorik veranschaulichen und darf in ­etlichen solistischen Passagen bzw. Rezitativen ihre SängerInnen zu chromatischer Genauigkeit motivieren. Die Herausforderungen für den Chor, der natürlich die Solopartien aus den eigenen Reihen besetzen kann, sind überschaubar. Die eingängige Sanglichkeit verleite aber nicht zum ungenauen Erarbeiten – die vielen Sext- und Terzparallelen in der Stimmführung vertragen keine Schleifer und Schluchzer!
Überhaupt ist das „Zu-Herzen-Gehen“ wahrscheinlich die größte Herausforderung bei dieser musikalisch sehr wirkungsvollen Kantate: Die Schlichtheit und fromme Haltung des Textes stellt für heutige Kinder und Jugend­liche vielleicht auf den ersten Blick eine Hürde dar, wird aber – auch das eine Frage des Zugangs der Chorleiterin – das „innere Wesen“ in vielen Fällen sehr ansprechen. Zudem gibt es neben der rein musikalischen Seite durchaus reizvolle Impulse zur Aufführung im sehr sorgfältig gearbeiteten Vorwort der Herausgeberin Barbara Mohn.
Rheinbergers Musik lohnt ein eigenes Konzert – hier gibt es viel zu entdecken. Allerdings müssen zu dieser Kantate noch geeignete ergänzende Werke ausgewählt werden, denn sie ist in ihrer Aufführungsdauer trotz immerhin zwölf Einzelnummern recht kurz.
Christina Humenberger