Hildebrandt, Horst

Den Körper stimmen ­lernen

Gesundheitsförderung an Musikschulen: Pilotprojekte und ­Vorschläge zur praktischen Umsetzung

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 1/2010 , Seite 16

Funktionelle Störungen bei musizierenden Kindern und Jugendlichen sind als Vorstadien von Erkrankun­gen noch gut zu behandeln. Aus der Erfahrung einiger Pilotprojekte und Studienangebote heraus werden Vorschläge zur ­konzep­tu­ellen und praktischen Umsetzung gesundheitsfördernder und ­präventiver Projekte an Musikschulen zusammengestellt.

Der Aufschwung der Musikphysiologie und Musikermedizin Ende des vergangenen Jahrhunderts wurde wesentlich durch die alarmierenden Studien zum Gesundheitszustand von BerufsmusikerInnen, Musikstudierenden und MusikschülerInnen ausgelöst.1 Ähnlich wie bei Berufsmusikern liegt bei Auszubildenden das Hauptgewicht auf psychosomatischen Beschwerden und auf Beschwerden der Bewegungsorgane. Musikstudierende, die regelmäßig Sport treiben, sind seltener von Beschwerden der Bewegungsorgane betroffen. Musikstudierende, die aus Musikerfamilien stammen, sind insgesamt häufiger von Beschwerden betroffen als der Durchschnitt. Dies lässt auch auf die Einflüsse hoher Leistungsansprüche und diverser Sozialisationsfaktoren schließen.
Die häufig vorkommenden funktionellen Störungen bei Auszubildenden sind als Vorstadien von Erkrankungen einer Schulung und Behandlung meistens noch gut zugänglich. Insbesondere der Übergang von der Jugendausbildung zur Berufsausbildung spielt für die Prävention von Spiel- und Gesundheitsproblemen eine bedeutende Rolle.2 Ein 2007 erschienener Abschlussbericht der Associa­tion Européenne des Conservatoires führte aus, dass der Bereich der Musikphysiologie einen wesentlichen Beitrag zu diesem Übergang leisten kann.3

Pilotprojekte in der Musikschule

Aus der Notwendigkeit konkreter praktischer Prävention heraus gründete und leitete ich von 1993 bis 2001 an der Musikschule Lahr die so genannte Musikphysiologische Beratung als Pilotprojekt.4

1 vgl. Horst Hildebrandt: Musikstudium und Gesundheit. Aufbau und Wirksamkeit eines präventiven Lehrangebotes, Bern 22004; Martin Fishbein/Susan Middlestadt/ Victor Ottati/Susan Straus/Alan Ellis: „Medical prob­lems among ICSOM musicians: Overview of a national survey“, in: Medical Problems of Performing Artists 4 (1988), S. 1-8; Paul Salmon/Charyl Shook/Kenneth Lombart/Gail Berenson: „Performance impairments, injuries, and stress hardiness in a sample of keyboard and other instrumentalists“, in: Medical Problems of Performing Artists 10 (1995), S. 140-146; Egbert J. Seidel/Rebekka Höpfner/Eckart Lange: „Vergleichende Studie zu klinisch relevanten Belastungsfaktoren bei Musikstudenten und Berufsmusikern“, in: Musikphysiologie und Musikermedizin 6 (1999), S. 115-119.
2 vgl. Horst Hildebrandt: „Prävention von Spiel- und Gesundheitsproblemen bei Musikern von Anfang an“, in: Susanne Klein-Vogelbach/Albrecht Lahme/Irene Spirgi-Gantert (Hg.): Musikinstrument und Körperhaltung, Berlin 2000, S. 108-140; Horst Hildebrandt/Matthias Nübling: „Providing Further Training in Musico-Physiology to Instrumental Teachers: Do Their Professional and Pre-Professional Students Derive Any Benefit?“, in: ­Medical Problems of Performing Artists 19 (2004), S. 62-69; Horst Hildebrandt/Matthias Nübling: „Den ­Anleitungsstil weiterentwickeln. Wie beeinflusst musikphysiologische Fortbildung Instrumentallehrkräfte und deren SchülerInnen?“, in: Üben & Musizieren 1/2005, S. 30-34.
3 Abschlussbericht Vor-Hochschulbildung in der Musik in Europa – Polifonia Vor-Hochschularbeitsgruppe, hg. von der Association Européenne des Conservatoires, Academies de Musique et Musikhochschulen (AEC), 2007; www.polifonia-tn.org
4 vgl. Hildebrandt, „Prävention von Spiel- und Gesundheitsproblemen…“, a. a. O.

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