Hessenbruch, Ekkehard

Den Wandel mitgestalten

Der Deutsche Tonkünstlerverband ermutigt seine Mitglieder nicht nur zur Weiterbildung, sondern auch zur politischen Mitgestaltung

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 3/2013 , Seite 26

Ein sich immer schneller vollziehender gesellschaftlicher Wandel bringt für alle Berufe ständig neue Perspek­tiven und Herausforderungen mit sich. Das betrifft auch und gerade die in alten Traditionen verwurzelten klassischen Musikberufe. Der Deut­sche Tonkünstlerverband (DTKV) möchte sich daher verstärkt in die Bildungspolitik einbringen.

Zweitausend vom Musikinformationszent­rum des Deutschen Musikrats jährlich gelistete Kursangebote von rund dreihundert Anbietern belegen den hohen Fortbildungsbedarf. Dass sich der gesellschaftliche Wandel aber nicht nur auf die fachlichen Herausforderungen der einzelnen Berufsgruppen auswirkt, sondern im Kanon der klassischen Berufsbilder neue Mischformen hervorbringt, kann man an den sich verändernden Mitgliederprofilen des DTKV deutlich ablesen. Schon 2004 spricht Michael Dartsch in seiner für den Deutschen Musikrat erstellten Studie Außer­schulische Musikerziehung in Deutschland von „persönlichen Berufs-Mosaiken“.
Als Folge des fortschreitenden Schwundes öffentlicher Vollzeitstellen bauen sich viele Musikerinnen und Musiker ein Berufsbild aus eigener künstlerischer Tätigkeit, Privatunterricht und Honorartätigkeiten an Musikschulen und Hochschulen zusammen. Patchwork-MusikerInnen also, die als künstlerische, pädagogische und kaufmännische Allroundtalente ihren Alltag bestehen müssen. Sie suchen zunehmend beim Deutschen Tonkünstlerverband Unterstützung und Rat. Und dementsprechend vielfältig sind auch die ­unter seinem Dach stattfindenden Fortbildungsangebote.

Von Existenzgründung bis Fundraising

Neben den klassischen Meisterkursen, Fortbildungsseminaren und Vorträgen mit international anerkannten Künstlern, Pädagogen und Publizisten, die vom Deutschen Tonkünstlerverband bzw. seinen Landes-, Regional-, Bezirks- und Ortsverbänden schon immer veranstaltet wurden, finden vermehrt Seminare zu Rechts- und Steuerfragen, zu Fragen wie Existenzgründung, Versicherungen, Berufskunde und Altersvorsorge sowie Computerkurse zu Themen wie „Internet für Tonkünstler“ oder „Notensatzprogramme“ statt. Durch ständige Evaluation der Veranstaltungen und eine ergebnisorientierte Auswertung kann schnell auf Wünsche und Anregungen der TeilnehmerInnen reagiert werden. In Zukunft wären zum Beispiel Seminare zu europaweiten, bundesweiten bzw. länderspezifischen Fördermöglichkeiten sowie zu Themen wie Sponsoring und Fundraising denkbar.
Fortbildungen bietet der Deutsche Tonkünstlerverband aber auch in Kooperation mit anderen Partnern an. Ein Höhepunkt ist sicher die seit 1969 jährlich stattfindende D-A-CH-Tagung. Der Deutsche Tonkünstlerverband (D) und musikpädagogische Verbände in Ös­terreich (A) und der Schweiz (CH) veranstalten jeweils im Wechsel ein Symposion zu musikfachlichen oder -politischen Themen. Die unter Federführung des DTKV veranstalteten Tagungen in Deutschland fanden zuletzt 2009 und 2012 statt. 2009 wurde der damals und bis heute kontrovers diskutierte „Bolo­gna-Prozess“ kritisch beleuchtet. Diskutiert wurde die „Schaffung eines gemeinsamen Europäischen Hochschulraumes“, eine mögli­che „Umsetzung im Bereich der musikalischen Berufsausbildung“ wurde gemeinsam heraus­gearbeitet. 2012 wurde mit dem Titel „Der freiberufliche Musikpädagoge – ein Beruf mit Zukunft?“ ein weiteres brisantes Thema aufgegriffen. Zu dieser Tagung wird zur Jahresmitte 2013 eine Publikation erscheinen.
In diesem Jahr wird die D-A-CH-Tagung unter dem Motto „Rahmenbedingungen des Musikunterrichts“ unter der Federführung der Arbeitsgemeinschaft Musikerziehung Österreich vom 11. bis 13. Oktober in Ossiach stattfinden. Aufgrund des fruchtbaren Austauschs ist angedacht, Südtirol und später eventuell auch die Benelux-Länder in diese internationale musikpädagogische Arbeit mit einzubeziehen.

Neue Förderstrukturen sind notwendig

Der zunehmende Fortbildungsbedarf und das immer breiter und bunter werdende Angebot sind das eine, ihre Finanzierbarkeit das andere. Freie und private Musikschulen oder PrivatmusikpädagogInnen verfügen nicht über staatliche Fördermittel zur Fortbildung, wie sie öffentlichen Musikschulen für ihre Lehrkräfte grundsätzlich zuerkannt werden. Sie haben aber die gleichen staatlichen Abschlüsse, übernehmen die gleiche beruf­liche Verantwortung, bilden ebenfalls Kinder und Jugendliche aus und haben somit die gleichen Fortbildungsverpflichtungen und den gleichen Fortbildungsanspruch. Deshalb ist ihnen auch das gleiche Recht auf Fortbildung einzuräumen – mit allen wirtschaft­lichen Konsequenzen.
Ein zukunftsweisender Schritt konnte vom Tonkünstlerverband Bayern in Kooperation mit dem Bayerischen Staatsministerium getan werden: Im Rahmen der „zweiten Säule des Kulturkonzepts“ stellt der Bayerische Staat 2013 und 2014 jährlich 500000 Euro für die Förderung des Musikunterrichts durch freiberufliche MusikpädagogInnen und private Musikinstitute zur Verfügung. Durch einen Landtagsbeschluss untermauert, wird die Tür zu einer Förderung aller Anbieter eines qualifizierten Musikunterrichts geöffnet und ein wichtiger Beitrag zur Sicherstellung einer qualifizierten Musikausbildung in Bayern geleistet. Hier wurden alte Förderstrukturen bereits an die sich verändernden beruflichen Strukturen angepasst. Eine zeitgemäße Entwicklung, die es in anderen Bundesländern noch nachzuholen gilt.
Musikerinnen und Musiker müssen sich aber nicht nur dem gesellschaftlichen Wandel durch geeignete Fortbildungen anpassen. Sie sollten bildungspolitische Veränderungen immer aktiver mitgestalten, sich kompetent und hörbar in laufende Diskurse ein­mischen, um auch in Zukunft eine Bildungslandschaft vorzufinden, in die sie sich ihren Fähigkeiten und Überzeugungen entsprechend einbringen können und wollen. So werden berufs- und bildungspolitische Fragen zunehmend zu einem weiteren Schwerpunkt von Seminaren, Tagungen und Kongressen. Beim Landeskongress der Musik­pädagogik Baden-Württemberg 2013 vom 26. bis 28. September in Freiburg wird auf Anregung des Tonkünstlerverbands Baden-Württemberg zum Beispiel ein Forum zum Thema „Utopie oder Notwendigkeit?“ stattfinden, in dem darüber diskutiert wird, wie die individuelle Musikausbildung als Impulsgeberin ganzheitlicher Schulpädagogik in Ganztagsschule, Gemeinschaftsschule und G8 integriert werden kann. VertreterInnen aller zuständigen Verbände werden sich mit der Frage beschäftigen, wie für die indivi­duelle außerschulische Musikerziehung im Schulkontext Zeitfenster geschaffen werden und die erworbenen Fähigkeiten in die schulische Leistungsbewertung noch besser einfließen können.
Der Deutsche Tonkünstlerverband sieht also neben der rein fachlichen Fortbildung in Zukunft auch eine Aufgabe darin, seine Mitglieder zu mehr bildungspolitischer Mitgestaltung zu ermutigen und ihnen das hierzu nötige Wissen zu vermitteln.

Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 3/2013.