Plass, Christoph
Der Ton macht die Person
Eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München mit Hofer Musikschülern zeigt positive Auswirkungen aktiven Musizierens
Musiker nehmen Emotionen stärker und differenzierter wahr. Musiker können sich längere Zeit besser konzentrieren und ihre Aufmerksamkeit dabei besser auf Details lenken. Musiker besitzen eine größere Selbstsicherheit, eine stärkere Angst-Kontrolle und haben einen „weiter geöffneten Kanal“ bei der Aufnahme von Informationen. Das sind, kurz zusammengefasst, die Ergebnisse einer Studie, die vor knapp zwei Jahren in Hof in Auftrag gegeben und jetzt vorgestellt wurde. Auf Initiative der Hofer Symphoniker hat ein Forscher-Team der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) untersucht, wie sich eine langjährige musikalische Ausbildung auf mentale Fähigkeiten und soziale Kompetenzen auswirkt. „Ein anderer Ton – das Hofer Modell“, so der Titel der Studie, bestätigt eine weit verbreitete Annahme: Aktives Musizieren wirkt sich positiv auf die Entwicklung junger Menschen aus.
Die Musik ist einer der Maler, Zimmerleute, Raumausstatter und Architekten, die aus dem „Rohbau Gehirn“, mit dem der Mensch die Welt betritt, ein ansehnliches Heim machen können. Und – um beim Bild zu bleiben, mit dem Studienleiter Ernst Pöppel das Thema erklärt – die Musik ist eine der Bauherrinnen, die auf Nachhaltigkeit setzen und auf einen soliden Ausbau, auf Vernetzung und auf eine optimale Nutzung der vorhandenen Ressourcen. In eineinhalb Jahren Arbeit hat eine Gruppe von Psychologen und Neurologen an 42 Probanden getestet, wie das aktive Musizieren den „Rohbau Gehirn verschönern kann“.
Die Betrachtungen der Forscher ruhen auf zwei Standbeinen: auf psychometrischen Tests, die Emotionen, Persönlichkeit, kognitive Fähigkeiten und soziale Kompetenzen ermitteln, und auf neurologischen Untersuchungen – die Forscher haben die Probanden im Kernspintomografen sprachlichen und musikalischen Reizen ausgesetzt und dabei ihre Hirn-Aktivitäten gemessen.
Zunächst zum ersten Teil: Aufgeteilt in zwei gleich große Gruppen von MusikerInnen und Nicht-MusikerInnen unterzogen sich die 42 Probanden einer langen Reihe von Tests. Indem sie Bilder interpretierten, Dreiecke zuordneten, Größenverhältnisse von Figuren bestimmten oder Fragen beantworteten, lieferten sie den Forschern ein Gesamtbild ihrer Person – ihrer Eigenschaften, ihrem Entscheidungsverhalten, der Lernfähigkeit, der Selbstsicherheit und der Motivation, um nur einige zu nennen. „Unsere männlichen Musikschüler beispielsweise zeigten eine große leistungsfördernde Prüfungsangst“, erklärt Petra Carl, die für diesen Bereich zuständige wissenschaftliche Mitarbeiterin. „Die Musikschülerinnen dagegen verfügten über eine höhere Leistungsmotivation.“
Part zwei der Studie spielte sich in der Horizontalen ab: Im Tomografen liegend hörten sich die Probanden gesprochene Sätze und Musik-Sequenzen an, die jeweils eindeutige emotionale Färbungen vermittelten. Die Überraschung für die Forscher: „Bei den musikalischen Proben zeigten sich kaum Unterschiede in der Hirnaktivität der beiden Gruppen“, so Radiologe Thomas Meindl. Die sprachlichen Reize hingegen, die Freude oder Trauer transportierten, aktivierten bei den MusikerInnen zusätzliche neuronale Netzwerke. Besonders die Gehirnregionen, in denen der Sitz persönlicher Erinnerungen vermutet wird, traten verstärkt in Aktion. Studienleiter Ernst Pöppel nennt das einen von vielen direkten Nutzen: „Ein Problem, etwa bei Demenz-Kranken ist, dass sie keinen Bezug mehr zu sich selbst haben. Mit der Musik haben wir den Schutzmechanismus dagegen in der Hand.“
Für die Hofer Symphoniker wie für alle aktiv Musizierenden ist die Studie eine schöne Bestätigung ihrer Arbeit – für die Politik, die kulturelle Szene und die Gesellschaft im Allgemeinen lassen sich daraus weitreichende Konsequenzen ableiten. „Diese Ergebnisse müssen wir ab sofort in die Schul- und Erziehungspolitik einfließen lassen“, betont Hans-Peter Friedrich, Bundestagsmitglied und Aufsichtsratsvorsitzender der Hofer Symphoniker. „Richtig übersetzt und umgesetzt kann man so eine ganze Reihe von Transfer-Effekten erzielen, die akute gesellschaftliche Probleme angehen“, ergänzt Ingrid Schrader, die neue Intendantin der Symphoniker.
Ein konkretes Beispiel dafür lieferte die orchestereigene Musikschule der Hofer Symphoniker schon lange vor dem Erstellen der Studie: Seit 2002 betreibt die Musikschule ein Experiment mit Perkussionsunterricht an einer Hofer Grundschule, die gern als „sozialer Brennpunkt“ bezeichnet wird und einen hohen Anteil an Migranten-Kindern und Kindern aus armen Familien hat. Das Experiment ist zum Vorzeige-Objekt geworden: Im gemeinsamen Rhythmus der Perkussion stieg das Konzentrationsvermögen der SchülerInnen, das Aggressionspotenzial hat sich nachweislich verringert und die Kinder erlernten soziale Kompetenzen wie Zuverlässigkeit, Fairness und die Fähigkeit zur Integration.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2009.