Röbke, Peter

Der ungeliebte Bach?

Anmerkungen zur Invention c-Moll BWV 773

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 3/2009 , Seite 18

Die Musette, die zwei Menuette in G-Dur: So manches Stück aus dem „Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach“ ist ein veritables Lieblings­stück. Auch versuchen sich Schüler gern am ersten Prä­lu­dium aus dem „Wohltemperierten Klavier“, hat man dort doch so wunderbar viel Zeit, die Akkordein­stel­lung für den nachfolgenden Takt rechtzeitig zu programmieren. Aber wie steht es eigentlich mit der kont­ra­punktischen Musik Bachs, mit den Inventionen, den Sinfonien und Fugen?

Betrachten wir den üblichen Einstieg eines Klavierschülers in die polyfone Welt Bachs: die Inventionen. Nach aller Erfahrung werden häufig jene in C-Dur oder F-Dur gespielt, mit wenigen Ausnahmen jedoch wird das Stück ausgelassen, um das es in diesem Beitrag gehen soll: die 2. Invention in c-Moll, die SchülerInnen als veritabler Brocken erscheint, als harte Nuss, an der man sich die Zähne ausbeißen kann, und die als eine Art von Musik erscheint, die abstrakt und schwer zugänglich ist.
Wer sich ungern auf dieses Stück einlassen möchte, der hat vielleicht das Gefühl: Das ist irgendwie überdeterminiert, alles ist so gewichtig, jede Note zählt, nichts darf aus- oder fallengelassen werden, es gibt keine gefälligen Passagen, in denen die Finger einfach nur so dahinlaufen können. Deshalb hat man Angst zu scheitern, und das ist eine Angst, die jeder kennt, der Bach aufführt. Wenn wir etwa eine Fuge aus dem Wohltemperierten Klavier spielen, wissen wir ein Lied davon zu singen, was schon die kleinste Irritation, was ein „musikalischer Sekundenschlaf“ bedeuten kann: Gerät die Musik nur kurz aus den Fugen, bricht schon das ganze Gebäude zusammen.
Ich unterstelle also ein Vermittlungsproblem und betone die Notwendigkeit, bewusst Wege zu diesem Stück zu bahnen, da es nicht unmittelbar angenommen und spontan als schön empfunden werden wird (warum ich es vermitteln will, wird hoffentlich aus diesen Zeilen hervorgehen). Ich mache daher im Folgenden Vorschläge für zwei verschiedene Wege, auf denen wir dieser Musik näherkommen können, indem ich versuche, das Stück in zwei Kontexte einzurücken: In einer ersten Bewegung soll es darum gehen, Interesse für den historischen Ort dieser Musik zu wecken und das kompositorische Kalkül dieser Musik als etwas Herausforderndes und Spannendes zu erleben; in einer zweiten Bewegung auf das Stück zu geht es um buchstäbliches Einverleiben und darum, das Stück in den Kontext meiner eigenen und gegenwärtigen Affekte und Gefühle zu stellen.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2009.