Stollár, Xénia

Der Wunderbaum

7 Duette für 2 Klarinetten, mit zusätzlicher Bassstimme auch spielbar als 7 Trios für 2 Klarinetten und Bass­klarinette (Fagott/Cello)

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Musikverlag Andreas Josephs, Köln 2019
erschienen in: üben & musizieren 4/2020 , Seite 64

Einen ganz eigenen Stil zeigen die Duette der 1970 geborenen ungarischen Komponistin Xénia Stollár, die sie unter dem ansprechenden Titel Der Wunderbaum zusammengefasst hat. Stollár greift in den sieben kurzen Duetten auf die modalen Tonarten zurück und hat so jedes Duett in einer anderen Kirchentonart (in untransponierter Form) geschrieben. Der Wunderbaum eröffnet den SpielerInnen damit eine wenig vertraute, reizvolle Klangwelt, die sich in der überwiegend lyrischen Grundstimmung der einzelnen Stücke wirkungsvoll entfaltet.
Das Stück Der Wunderbaum eröffnet die kurzen musikalischen Stimmungsbilder fanfarenartig, um dann in ein wechselvolles gesangliches Melodiespiel überzugehen, das sich zum Schluss hin verdichtet und wieder mit intensivem Fanfarenmotiv endet. Der schwarze Bach in lokrischer Tonart fließt gemächlich im 6/8-Takt. Die gespaltenen Blätter hat die Komponistin mit der Idee eines Kanons im 5/4-Takt beschrieben – gemeint sind die Blätter des Gingko-Baums, über den Goethe ein Gedicht verfasst hat, das im Anhang abgedruckt ist. Mit wechselnden Metren spielt die Komponistin bei Lauf der Sonne, während Die Mauer sich in lydischer Tonart mit starren Halben und langen Tönen im 3/2-Takt zeigt. Lebhafter im (in 3+2+2+2 unterteilten) 9/8-Takt mit akzentuierter Rhythmik und größerem Staccato-Anteil wird Erwachen in Szene gesetzt. Ein majestätischer ruhiger Legato-Gesang in ionischer Tonart mit dem Titel Lobpreisung beschließt die Duettfolge.
Spieltechnisch sind die Stücke, deren beide Stimmen gleichwertig sind, in der Mittelstufe anzusiedeln. Der Tonumfang geht nicht über d”’ hinaus. Die musikalische Gestaltung und das Einfühlen in diese Musik stellen die eigentlichen Ansprüche dar. Die Duette entfalten ihre Wirkung nur, wenn die SchülerInnen schon über ein sehr gutes Legato, eine ausgeglichene Tongebung sowie über feine Differenzierungen in der Dynamik verfügen.
Die optionale Bassklarinettenpartie erweitert den Klangraum, spart aber die tiefsten Töne unterhalb von e noch aus. Sie ist nicht nur eine begleitende Ergänzungsstimme, sondern in das melodische Geschehen eingebunden. Die Version für Fagott oder Violoncello ist als Down­load erhältlich.
Im Anhang sind Gedichte von Xénia Stollár zu den einzelnen Duetten in ungarischer Sprache abgedruckt. Leider vermisst man eine deutsche Übertragung. Es wäre sinnvoll, wenn der junge Josephs Verlag seine sorgfältige Notenedition mit einem entsprechenden Download ergänzen würde, da die Texte zu einem leichteren Zugang und tieferen Verständnis führen können.
Heribert Haase