Nash, Dorothy / Phyllis Nash
Deux Pièces
pour violon avec piano (1915)
D. P. Nash? Was tut man, wenn man eine Notenausgabe zur Rezension vorliegen hat und einem der Name des Komponisten oder der Komponistin gar nichts sagt? Richtig! Man recherchiert im Internet. Also machte ich mich daran – um verblüfft festzustellen, dass dort nichts zu finden ist. Was auch immer man im Zusammenhang mit Musik an Namen oder Stichworten eingeben mag, meist landet man bei Crosby, Stills & Nash – auch gut, aber in diesem Zusammenhang nicht hilfreich. Verblüfft, ja ungläubig notiert man, dass auch in führenden Nachschlagewerken keine Informationen abrufbar sind.
Oder fast… Zu finden ist im Internet eine Einspielung eines der beiden kleinen Stücke der vorliegenden Notenausgabe, des Menuets, aus dem Jahr 1952 durch Wolfgang Schneiderhan. Nach den der Aufnahme beigegebenen Informationen handelt es sich bei P. D. Nash um ein Pseudonym, hinter dem sich die schottische Geigerin Dorothy Muir-Mackenzie (1881–1971), eine Schülerin von Eugène Ysaÿe und spätere Ehefrau des Pianisten Mark Hambourg, verbirgt.
Eine andere, durchaus plausible Lesart bietet die kurze Anmerkung der Neuausgabe. Danach handelt es sich bei P. um Phyllis (Geigerin) und D. um Dorothy (Pianistin) Nash, zwei Schwestern, die zusammen konzertierten (verbürgt ist ein Auftritt in der Steinway Hall in London am 30. April 1914) und am 8. März 1915 gemeinsam als Autorinnen bei Schott London einen Vertrag über die Publikation beider Stücke und die diesbezügliche Abtretung der Rechte an den Verlag unterzeichneten.
Gerade für kreative Frauen war es, wenn man die Gepflogenheiten der Zeit bedenkt, nicht ungewöhnlich, unter Pseudonym zu veröffentlichen. Merkwürdigerweise werden in der vorliegenden Ausgabe für Phyllis Nash zwei unterschiedliche Geburtsdaten genannt, einmal 1881, danach 1891 (dafür für Dorothy gar keins!).
Das Menuet ist eine hübsche, charmante, im Mittelteil leicht melancholische Salon-Pièce, geigerisch anspruchslos, romantisch und dankbar, zum „Servieren“ als letzte Zugabe am Ende eines Konzerts geeignet, eine Alternative zur berühmten Sicilienne von Paradis-Dushkin. Das folgende Scherzo La Mouche („Die Fliege“), ein Perpetuum mobile, reiht sich in die seinerzeit beliebten Elfentänze und Hummelflüge ein. Auch hier hält sich der geigerisch-instrumentale Anspruch in engen Grenzen.
Beide Stückchen sind im Unterricht von Kindern in noch nicht allzu fortgeschrittenem Stadium sehr gut zu verwenden. Das Menuet eignet sich zur Entwicklung eines sanglichen Legatos in Abwechslung mit Portato-Stricharten, links zum Üben durchvibrierter, romantischer Melodielinien. Im Scherzo lassen sich ohne größere Schwierigkeiten für die Griffhand Leggiero-Spiel und Sautillé-Bogen trainieren. Und natürlich dürfte es Spaß machen, einmal so richtig über den Parcours zu flitzen. Die Klavierbegleitungen sind zudem so einfach gehalten, dass AnfängerInnen sie mühelos spielen können. Damit eignen sich beide Stücke auch für Duo-Zwecke.
Herwig Zack