Die Beatles, das Uni­versum und der Rest

George Harrison als Gandalf, John Lennon als Gollum: Bei den Beatles wundert einen nichts mehr! Auch nicht, dass die Band in den Jahren 1967 und 1968 fest vorhatte, R. R. Tolkiens Epos Der Herr der Ringe zu verfilmen – mit Stanley Kubrick als Regisseur. Letztendlich scheiterte der Plan daran, dass Tolkien die Filmrechte nicht an eine Pop-Gruppe abgeben wollte.
Wie Paul McCartney als Frodo und John Lennon als Gollum hätten aussehen können – zumindest das ist nun in Illustrationen von Paulina Eichhorn festgehalten. Gemeinsam mit Autor Felix Janosa ist eine Beatles-Biografie entstanden, die das Duo selbst „Coffee-Table-Book“ nennt: ein Buch, das auch als Graphic Novel bezeichnet werden könnte und nicht nur wegen seiner schönen Aufmachung zum gelegentlichen Blättern anregt, sondern – randvoll mit biografischen Details – eine bebilderte Biografie darstellt für Beatles-Fans und solche, die es werden wollen.
Felix Janosas Beschreibungen liegen als Quellen mehrere im Anhang genannte Beatles-Biografien zugrunde. Darüber hinaus habe er sich, so Janosa, „nach bestem Wissen und mit hoher Gründlichkeit bemüht, alle Fakten und Behauptungen, die nicht aus den hier aufgelisteten Standardwerken stammen, mehrmals zu überprüfen“. Das Ergebnis ist eine Biografie, die einerseits erzählenswerte Anekdoten in den Fokus nimmt und andererseits dennoch nie das große Ganze aus dem Blick verliert.
So entsteht das Bild einer Band der Superlative, die während einer Schaffensperiode von weniger als einem Jahrzehnt zwischen 1963 und 1970 nicht nur 13 Studio-Alben veröffentlicht, sondern auch mehrere Filme produziert, außereuropäische Instrumente wie etwa die Sitar in die Pop­musik einführt und vor allem im Tonstudio bis dahin unbekannte Effekte und Techniken wie rückwärts laufende Tonspuren und Artificial Double Tracking (ADT) erstmals einsetzt.
Eine Premiere ganz anderer Art ist das Buch für die junge Stuttgarter Illustratorin Paulina Eichhorn. Inspiriert von einem Ordner mit Zeitungsausschnitten und Autogrammkarten, den einst ihre Mutter als glühender Beatles-Fan anlegte, ist das vorliegende Buch das erste, das Paulina Eichhorn komplett als Illustratorin gestaltet hat: In poppigen Farben und ungewöhnlichen Perspek­tiven bringt sie Felix Janosas Geschichten auf den Punkt. So nimmt sie z. B. das wohl berühmteste Foto der Beatles – auf dem Zebrastreifen der Abbey Road – als Ausgangspunkt für eine Illustration, wählt jedoch den Blick von oben: Man sieht nur noch die Fußstapfen auf dem ­Zebrastreifen, während die Band-Mitglieder am unteren Bildrand die Szene verlassen.
Schließlich: Was wäre ein Buch über eine Band ohne Musik? Zu jeder Doppelseite hat Felix Janosa einen passenden Song (nicht nur von den Beatles) ausgewählt. Alle Songs stehen in einer Playlist auf Spotify zur Verfügung. So möchte man auch nach 176 Seiten nicht aufhören zu lesen, zu staunen und zu hören – und zu träumen, was hätte geschehen können, wenn Tolkien mit seinen Filmrechten etwas großzügiger gewesen wäre…
Rüdiger Behschnitt