Rademacher, Ulrich
Die dunkle Seite
Vertrauensbrüche, Headhunting und Fremdgehen: Schattenseiten des Lehrerwechsels überwinden
Die Lehrkraft zu wechseln, kann viele gute Gründe haben, dennoch scheint es oft eine heikle Angelegenheit zu sein. Durchaus üblich ist es, einen Lehrerwechsel im Verborgenen von langer Hand vorzubereiten. Doch damit sind Vertrauensbrüche und vertane Chancen vorprogrammiert. Diese Schattenseiten müssen nicht sein: Transparenz und Teamarbeit sind Ansätze, um eine Misere zu vermeiden.
Musikunterricht ist – das wird gerade im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um das Thema Umsatzsteuer immer wieder zurecht betont – keine Dienstleistung wie Haare schneiden, Wohnung putzen und KFZ-Pflege. Während es in den genannten Kontexten angemessen ist, eine Zusammenarbeit ohne längeres Abwägen sofort zu beenden, sobald man nicht mehr zufrieden ist, geht es im Musikunterricht um etwas anderes: nämlich um einen entscheidenden Beitrag zur persönlichen Entwicklung des Menschen. Hier geht es um einen auf Dauer angelegten Lernprozess, für den ein gewachsenes Vertrauensverhältnis im Beziehungsdreieck Kind-Lehrkraft-Eltern unabdingbare Voraussetzung ist.
Wenn Eltern hinter dem Rücken der Lehrkraft einen Lehrerwechsel in die Wege leiten, dann stellt dies einen Vertrauensbruch dar, der eine oft gar nicht oder nur mit sehr viel Geduld zu heilende menschliche Katastrophe provoziert. Ein solcher Schritt ist fast immer Ausdruck der versuchten Kompensation einer enttäuschten Erwartung, einer Fehleinschätzung der Fähigkeiten des Kindes, mangelnder Geduld etc. Das Problem wird nach draußen verlagert: Der Lehrer bzw. die Lehrerin ist schuld!
In dieser Situation stellen Musikschulen geradezu einen Marktplatz dar für vermeintlich erfolgreichere, attraktivere, modernere, coolere Lehrkräfte, deren diskreten Lockrufen Eltern immer wieder verfallen; besonders diejenigen, die daran glauben, dass das Gras schneller wächst, wenn man daran zieht, oder diejenigen, die mit ihrem „Projekt Kind“ in der Öffentlichkeit glänzen wollen. Und wer erfährt vom initiierten Lehrerwechsel zuletzt? Die bisherige Lehrkraft.
Musikschule als Kompetenz-Team
Nicht als Allheilmittel für derlei Fehlentwicklungen, jedoch als musikschulspezifischer Weg zu mehr Vertrauen und Respekt haben sich jährliche Vorspiele vor einem Team von PädagogInnen erwiesen, die gemeinsam darüber nachdenken, wie der beste Weg für eine Schülerin oder einen Schüler aussehen könnte. Aus dem gemeinsamen Hörerlebnis und dem anschließenden kollegialen Austausch können sich folgende Empfehlungen ergeben: mehr oder auch weniger Unterricht im nächsten Jahr, vielleicht ein Wechsel von Einzel- und Gruppenunterricht, möglicherweise ergänzende Einheiten von Team-Teaching, mehr oder weniger Kammermusik, Übernahme solistischer Aufgaben, Mitwirkung im Orchester, Aufnahme von Theorieunterricht, Empfehlung oder Zurückhaltung hinsichtlich ergänzender Kurse – oder eben auch ein Wechsel der Instrumentallehrkraft, der nicht vom Himmel fällt, sondern begleitet wird. Die Fähigkeit und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen oder abzugeben, muss von Kollegium und Schulleitung als besondere Qualität wertgeschätzt werden.
Die Chance des begleiteten Lehrerwechsels dürfte ein entscheidender Vorteil sein, den Musikschulen gegenüber einzelnen MusikpädagogInnen zu bieten haben.
Die Chance des begleiteten Lehrerwechsels dürfte ein entscheidender Vorteil sein, den Musikschulen gegenüber einzelnen MusikpädagogInnen zu bieten haben. Möglicherweise ist dies auch einer von vielen Gründen für eine öffentliche Förderung von Musikschulen. Denn gerade Eltern ohne eigene Musiziererfahrung und ohne Kenntnisse hinsichtlich einer intensiven musikalischen Förderung profitieren davon, ihr Kind nicht einer einzelnen Lehrkraft anzuvertrauen, sondern der Kompetenz eines erfahrenen Teams. So kann es durchaus sein, dass für den frühen instrumentalen Anfangsunterricht eine EMP-Lehrkraft mit ihrem instrumentalen Zusatzfach besser geeignet ist als eine sogenannte „Erfolgslehrkraft“, deren Ruf von vielen PreisträgerInnen bei „Jugend musiziert“ geprägt ist. Als Musikschulleiter habe ich oft erlebt, wie der Übergang vom elementaren Musizieren zum Instrumental- oder Gesangsunterricht organisch und altersgerecht gestaltet werden konnte und dass die erstgenannten Lehrkräfte oft besser in der Lage sind, den geeigneten Zeitpunkt zu erkennen, um ihre Verantwortung abzugeben.
Headhunting bei Wettbewerben
Ja, das Abwerben von SchülerInnen im Kontext von Wettbewerben gibt es wirklich: nicht nur im Rahmen der Juryarbeit, sondern auch auf den Fluren, bei den Ergebnisbekanntgaben und nach den Preisträger-Konzerten.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2025.